Chancengerechtigkeit

Wie digital muss Schule sein?

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Illustration: Maren Amini
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Im Computerraum der Grundschule Pater Eberschweiler gibt es Tränen: 21 Schüler der ersten Klasse sitzen vor 15 PCs und absolvieren ein Maustraining. Das Programm „Lernwerkstatt“ gibt ihnen eine Strecke vor, die sie mit dem Mauszeiger nachfahren sollen. Zwei Kinder sind todunglücklich, weil es ihnen einfach nicht gelingt, das erste Level dieses Lernspiels zu knacken. Ein drittes Kind hat ein anderes Problem. Bei dem Versuch, die Maus nach rechts zu bewegen, hat es die Tischkante erreicht und beschwert sich: „Herr Petermann, der Tisch ist zu klein!“

Ralf Petermann ist Rektor der Grundschule im saarländischen Städtchen Püttlingen und macht täglich die Erfahrung, dass Medienbildung mit ganz einfachen Schritten anfängt. „Manche Kinder wissen nicht, wie man einen Computer anschaltet, andere können schon selbstständig ins Internet gehen. Die Schule muss sich schon früh um dieses Thema kümmern, damit einzelne Schüler nicht abgehängt werden.“ Deshalb ist die Grundschule Pater Eberschweiler eine von sieben Pilotschulen im Saarland, die im Unterricht systematisch den Umgang mit digitalen Medien trainieren.

Den Umgang mit neuen Medien lernen

Auch Digital Natives müssen einen sicheren Umgang mit Internet und neuen Medien erst lernen.
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Richtschnur ist der sogenannte Medienkompass, eine Art Checkliste im Besitz der Kinder, in dem sie selbst dokumentieren können, welche Fertigkeiten sie erlernt haben. Ralf Petermann unterrichtet zu diesem Zweck pro Woche in jeder Klasse eine Förderstunde Neue Medien. Das fängt in der ersten Klasse an mit den Grundlagen der Bedienung eines Computers und einfachen Lernspielen, geht in der zweiten Klasse weiter mit dem Schreiben und Bearbeiten von Texten und dem Umgang mit Grafikprogrammen. In der dritten und vierten Klasse lernen die Schüler dann, das Internet und verschiedene Programme bei der Erstellung von Referaten, Handouts und Präsentationen zu nutzen. Sie erfahren, wie man bloggt, sich in sozialen Netzwerken verhält und Gefahren bei der Handynutzung vermeidet. Und die anderen Kollegen? „Die lassen sich darauf ein“, sagt Petermann. Sie bauen mit ihrem Unterricht auf seiner Grundlagenarbeit auf.

„Manche Kinder wissen nicht, wie man einen Computer anschaltet, andere können schon selbstständig ins Internet gehen. Die Schule muss sich schon früh um dieses Thema kümmern, damit einzelne Schüler nicht abgehängt werden.“

Ralf Petermann
Grundschuldirektor

Es fehlen Konzepte

Mit dieser Ausrichtung steht die Püttlinger Grundschule bisher weitgehend alleine da. Laut einer repräsentativen Studie der Bertelsmann Stiftung messen nur 8 Prozent der deutschen Schulleiter der digitalen Bildung eine strategische Bedeutung zu. Die meisten Schulen haben weder ein Konzept für den Einsatz digitaler Lernmittel noch denken sie über den digitalen Wandel als Bestandteil der Schul- und Unterrichtsentwicklung nach. Das, was an digitaler Entwicklung in Schulen passiert, geschieht nach Angaben der Befragten überwiegend aufgrund des Engagements von Einzelpersonen. Und die kämpfen mit technischen Hürden wie einer schlechten Internetverbindung oder einem mangelnden IT-Support. Laut der Studie sind fast 50 Prozent aller Lehrer mit der technischen Ausstattung an ihrer Schule unzufrieden.

Diese Probleme gibt es an der Realschule am Europakanal in Erlangen nicht. Sie hat, wovon Ralf Petermann nur träumen kann: ein flächendeckendes, leistungsstarkes WLAN und acht Klassen, die nur noch mit iPads arbeiten. Dieser Techniksegen ist nicht vom Himmel gefallen. Er benötigt Eltern, die das Konzept mittragen, denn die Endgeräte werden auf eigene Kosten angeschafft. Und es braucht einen bereitwilligen Investor, in diesem Fall die Stadt Erlangen, die dank einer eigenen kommunalen IT-Gesellschaft auch den professionellen Support übernehmen kann. Nicht zuletzt ist die Schule auf eine Galionsfigur angewiesen, die ihre Interessen über Jahre vertreten hat: Schulleiter Markus Bölling, Lehrer für Mathematik, Physik und Informationstechnik und technischer Leiter des Bayerischen Realschulnetzwerks, hat für seine Schule eine Leuchtturmposition erstritten. Mithilfe der Stiftung Bildungspakt Bayern will er die Realschule am Europakanal bis zum Jahr 2020 komplett in die digitale Welt überführen.

Tablet statt Schulbuch

Digitale Lernmittel erfordern oft ein Umdenken, bieten aber viele Vorteile.
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Illustration: Maren Amini
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In den iPad-Klassen ist der Schulranzen schon seit 2011 so gut wie leer. Das Unterrichtsmaterial liegt im schuleigenen Edu-Blog. Damit hat Bölling unter anderem das Vertretungsproblem gelöst: „Mein Unterricht findet auch dann statt, wenn ich nicht da bin.“ Dann arbeitet die Klasse selbstständig mit hinterlegten Aufgaben. Außerdem fällt weniger Kopiergeld an und es gibt kein Chaos mehr durch herumfliegende Arbeitsblätter. „Digitales Organisieren fällt den Schülern in der Regel leichter als das Abheften“, sagt Kai Wörner, der in einer iPad-Klasse Deutsch und Geschichte unterrichtet.

Ihn reizen neben organisatorischen Vorteilen auch die neuen didaktischen Möglichkeiten der digitalen Schule. Mit dem mBook hat er ein elektronisches Schulbuch für das Fach Geschichte verfasst. In diesem dürfen die Schüler nach Herzenslust markieren, kommentieren oder Bilder von Tafelanschrieben und Postern hochladen. Fächergrenzen spielen auf einmal eine weniger große Rolle als früher, meint Wörner. „Ich komme jetzt auch mit Kollegen aus der Biologie oder Chemie ins Gespräch, weil wir die gleichen Anwendungen nutzen.“ Sie haben auch die gleichen Probleme: Hausaufgaben zum Beispiel ergeben immer weniger Sinn. Ein Schüler macht sie und schickt die Ergebnisse an alle anderen. Die Schule arbeitet deshalb mit dem Konzept des Flipped Classrooms: Die Schüler erarbeiten sich ein Thema wie den Satz des Pythagoras selbstständig zu Hause. Geübt und vertieft wird dann mit Unterstützung des Lehrers im Unterricht.

„Digitales Organisieren fällt den Schülern in der Regel leichter als das Abheften von Arbeitsblättern.“

Markus Bölling
Leiter der Realschule am Europakanal in Erlangen

Mithilfe der Digitalisierung, sagt Markus Bölling, könnte er an seiner Schule noch so manches umkrempeln: Klassenbücher abschaffen, Stunden- und Vertretungspläne ins Internet stellen, den Eltern online Noteneinsicht gewähren, Krankmeldungen per App ermöglichen. Aber all diese Schritte erfordern rechtliche Abklärung, eine verlässliche Verschlüsselungstechnik und regulierte Abläufe, die den Anforderungen des Datenschutzes gerecht werden. Und somit erst mal jede Menge Manpower. Für sich und die Digital Experts im Kollegium hat der Schulleiter aber gerade einmal 14 Entlastungsstunden zur Verfügung. Denn aus Sicht der Landesregierung haben die Lehrer natürlich zuerst einmal etwas anderes zu tun: unterrichten.

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„Alle müssen in einer digitalen Gesellschaft neues dazulernen"

Als Digital Native sind viele Schüler ihren Lehren beim Umgang mit Computern meilenweit voraus. Warum es so wichtig ist, dass Lehrer offen für Neues bleiben und die digitalen Medien selbst verstehen, erklärt der Lehrer André Spang im Interview.

Lesen Sie das Interview hier.

Lehrer-Netzwerk: Schule im digitalen Zeitalter

16 Bundesländer, 16 Schulsysteme: Bildung in Deutschland ist Ländersache. Es gibt viele Unterschiede, aber auch ebenso viele Chancen, von diesen Unterschieden zu lernen. Deshalb treffen sich einmal im Jahr Lehrer aller Fächer und Schulformen beim Deutschen Lehrerforum in Königswinter, das der Stifterverband zusammen mit der Stiftung Bildung und Gesellschaft sowie weiteren namhaften Stiftungen und Vereinen einmal im Jahr veranstaltet. 2017 stand das Thema Schule im digitalen Zeitalter im Mittelpunkt. In insgesamt 16 Workshops stellten Referenten Projekte aus der schulischen Praxis vor, in denen digitale Techniken erfolgreich im Unterricht eingesetzt werden. Alle Teilnehmer konnten sich mit ihren Ideen um eine Förderung aus dem Projektfonds des Deutschen Lehrerforums bewerben. Sieben wurden ausgewählt, die nun eine Förderung von jeweils 1.000 Euro erhalten.

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