Erster Eintrag
Sitze im ICE von Hamburg nach Mannheim und lese dank WIFIonICE über einen Roboter, der zum ersten Mal in der langen Geschichte von Universitäten eine Lehrveranstaltung eröffnet hat. Ich frage mich, warum dies ein renommiertes Nachrichtenmagazin wie Spiegel Online zu einem Anruf bei dem zuständigen Professor nötigt – und zu einer anschließenden Veröffentlichung des Gesprächsprotokolls.
Aber ich sollte mich vielleicht erst einmal vorstellen. Ich bin Dr. D, Bildungswissenschaftler, also jemand, der dafür bezahlt wird, sich über Bildung Gedanken zu machen. Das mache ich nun schon seit über 15 Jahren. Dabei geht es um Medien und darum, wie diese Bildung unterstützen oder auch behindern können. Am Anfang nannte man das E-Learning, heute heißt es Digitalisierung von Bildung. Aber so richtig klar ist es noch immer nicht geworden, was damit gemeint ist. Am Anfang traf sich eine überschaubare Gruppe von Menschen zum Diskutieren über E-Learning, heute ist es gefühlt die halbe Menschheit, die über die Digitalisierung redet. Am Anfang gab es eine überschaubare Anzahl von Technik(en), mit denen experimentiert wurde, heute verliert man schnell den Überblick und hat nur noch eine nebulöse Vorstellung. Am Anfang spielte E-Learning keine große Rolle für die Hochschulen, heute ist Digitalisierung von strategischer Bedeutung.
Es passiert also eine ganze Menge und für mich wird es Zeit für eine Einordnung. Viele Themen werden von vielen verschiedenen Gruppen und Akteuren ins Spiel gebracht, mit sehr unterschiedlichen Interessen und Zielen. Dass dabei häufig von Bildung gesprochen wird, freut mich durchaus. Aber eigentlich ärgere ich mich mehr darüber, wie unreflektiert mit dem Bildungsbegriff umgegangen wird. Es wird sehr oft ein Pflichtfach Informatik gefordert. Man könnte ebenso gut ein Pflichtfach Bildungsphilosophie fordern. Dies macht kaum jemand, was daran liegt, dass Bildungsphilosophie kein besonders gut vermarkt- und verwertbares Fach ist. Aber es kann uns helfen, uns über Phänomene wie die Digitalisierung, die gerne als gesellschaftlicher Transformationsprozess dargestellt wird, zu verständigen. Es kann uns Orientierung in dieser Zeit des Umbruchs und der Disruption geben.
Wie das gehen kann, möchte ich in dieser Kolumne zeigen. Ich werde mir die Digitalisierung aus meiner Perspektive anschauen, das heißt als ein an Technik interessierter Bildungswissenschaftler. Ich werde dazu auch mein Verständnis von Bildung offenlegen und hinterfragen. Ich mache dies allerdings nicht nur für mich, sondern möchte zum Mitdenken einladen. Digitalisierung, so lesen wir ständig, betrifft uns alle. Darüber reden tun jedoch nur wenige. Zugehört wird am meisten denjenigen, die am lautesten rufen und entweder die Revolution von Bildung oder den Untergang der Menschheit vorhersagen. In beiden Fällen ist es die Digitalisierung, die das auslösen soll. Gibt es dazwischen etwa nichts?