Digitale und agile Lernstrukturen in Bestandsgebäude zu integrieren, ist durchaus herausfordernd. Wenn etwa Whiteboards zusätzlich an den seitlichen Wänden für die kollaborative Lernpraxis installiert werden, müssen sich viele der Studierenden Hals und Rücken verdrehen, weil ihre Sitze fest verschraubt sind. Oder aber es werden Bildschirme installiert, die viel zu klein sind, sodass die Studierenden in den hinteren Reihen nichts mehr darauf lesen können. Einiges lässt sich über neue Möbel abfangen, wie Stühle auf Rollen. Oder aber über aus Holz gefertigte, neu eingebaute Podeste, auf denen im abfallenden Hörsaal dann zwei Sitzreihen auf gleicher Höhe platziert werden können. Wenn sich die Stühle samt kleinem Tisch dann noch drehen lassen, kann auf den Podesten jeweils gut Gruppenarbeit stattfinden.
Piet van der Zanden kennt solche Baustellen nur allzu gut von dem Entwicklungsprozess der TU Delft in den Niederlanden. Er ist Bildungstechnologe, AV/IT-Entwickler, Elektroniker und mittlerweile einer der führenden europäischen Experten für innovative Lernstrukturen – auch deshalb, weil die TU Delft den Wechselwirkungen zwischen Architektur, Raumausstattung und moderner Didaktik seit acht Jahren auf den Grund geht und diesbezüglich als Pionier viel ausprobiert hat. Wertvolle Learnings hieraus fasste van der Zanden im viel beachteten Cookbook Education Spaces zusammen.
Mittlerweile ist der Niederländer in mehreren internationalen Universitätsinitiativen aktiv. Auch der Stifterverband rief ihn 2021 in den Beirat des Programms „Lernarchitekturen – Räume für zukunftsorientierte Bildung“. Es sei ziemlich interessant, sagt Piet van der Zanden, was es für einen Unterschied mache, wenn man Hochschulbauten von der Pädagogik her denke, konzipiere und baue. Beispiel Sound und Hörsaal: Wenn Studierende im Hörsaal kollaboratives Arbeiten einübten, dann höre sich die Soundkulisse wie ein lärmendes großes Restaurant an. Videos als Lehrinhalte über die Saallautsprecher abzuspielen, oft unterlegt mit Musik, sei mittlerweile gängige Praxis, erklärt der Niederländer weiter: „Man kann sagen, dass die Wände heute das Doppelte an Lautstärke abfangen müssen als noch vor zehn Jahren.“
Dieses Beispiel führt vor Augen, dass die gewünschten neuen Lehr- und Lernpraktiken einiges an Unruhe auf den Campus mitbringen können. Umso wichtiger sei es, dass Hochschulen ihre Digitalisierungsstrategie und Raumstrategie zusammendenken, sagt Lara Kolbert. Man müsse Raum als wertvolle Ressource wahrnehmen – auch im didaktischen Sinne – und Lernraumgestaltung als ein wichtiges Querschnittsthema der Hochschulentwicklung und auch der Hochschulorganisation sehen. Dieses Mindset möchten der Stifterverband und die Dieter Schwarz Stiftung mit ihrem kürzlich gestarteten Förderprojekt Raumlabore bekannter machen und pushen.