Angenommen, die Hypothesen von Spitzer & Co. bewähren sich– was wäre der bestmögliche pädagogische Ansatz, um einer Verrohung und Verdummung der Menschen durch das Internet zu begegnen? 83,8 Prozent der Deutschen nutzen das Internet, wie die aktuelle Onlinestudie von ARD und ZDF kürzlich veröffentlichte. 83,8 Prozent der Deutschen drohen also laut Manfred Spitzer zu verdummen? Was also tun? Den Stecker ziehen und hoffen, dass sich die Dummheit damit von alleine löst? Oder sich vielleicht doch mal von der eigenen erstarrten Sichtweise lösen, die Perspektive wechseln und endlich mal zugeben, dass das Internet dermaßen umfassend und komplex ist, dass man daraus keine holzschnittartigen Thesen ableiten kann.
Das Internet macht Menschen per se nicht dümmer oder klüger. Ja, bei unsachgemäßer Verwendung, bei Mangel an Reflexion und fehlendem Bewusstsein hat das Internet selbstverständlich auch negative Auswirkungen auf eine Gesellschaft. Phänomene wie eine Entzivilisierung im und durch das Netz sind nicht von der Hand zu weisen, auch die Häufung von Stress durch eine Always-on-Mentalität ist nicht zu leugnen. Aber das ist keine fatalistische Grundeigenschaft der technologischen Infrastruktur, sondern beruht auf dem Mangel an digitaler Bildung.
Bei der unsachgemäßen Benutzung eines Messers droht die Anzahl der Schnittwunden auch entsprechend zuzunehmen. Gerade bei einer drohende Verdummung durch die Fragmentierung unserer Gehirne scheint mir Bildung das einzig wirklich konstruktive Mittel der Wahl zu sein, um diesen angeblichen Bedrohungen entgegenzutreten. So wie man auch eine Zeitung anders gestalten kann, als die Bild-Zeitung es tut, oder wie Manfred Spitzer eine Fernsehsendung wie „Geist & Gehirn“ entwickeln kann, die Menschen ein bisschen klüger als dümmer macht. Niemand ist zur Verdummung verdammt – außer man akzeptiert diesen Fatalismus, dann wird sich diese Prophezeiung ganz sicher erfüllen. Wer also gerade vor den Risiken warnt, kann und darf sich als Wissenschaftler und Pädagoge nicht einfach diesem Thema durch Abstinenz und Prohibition komplett entziehen. Wer das tut, hat für meine Begriffe ein äußerst fragwürdiges Bildungsverständnis.