Lernorte

Der Digital-Pionier

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Foto: iStock/ graphorama
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Jürgen Handke ist seit vielen Jahren Hochschullehrer an der Universität Marburg. Dort habe ich ihn vor einigen Wochen besucht. Wir saßen in seinem Büro, das vollgestopft mit Technik ist. Überall Mikros, Kameras, Greenscreen und ein kleiner Roboter stand da auch noch herum. Denn Jürgen Handke ist nicht irgendein Professor, sondern wohl der profilierteste Hochschullehrer für digitales Lehren, den wir in Deutschland haben. Allerdings wird die Hochschulwelt ihn in einigen Wochen verlieren: Jürgen Handke steht kurz vor der Emeritierung. Im Durchfechter-Podcast (siehe Kasten) blickt er zurück auf die Höhen und Tiefen seiner akademischen Karriere.

Seit 40 Jahren tüftelt der Autodidakt daran, Wissen in digitalen Medien aufzubereiten. Zunächst auf CD-ROM, heute vor allem in Videos und mithilfe von humanoiden Robotern. Die Entwicklung, die er genommen hat, war selten gradlinig und von einigen Rückschlägen gekennzeichnet. Manches, so erzählt er, ist sogar richtig in die Hose gegangen. Davon hat er sich aber nie entmutigen lassen. Denn mit steigender Beharrlichkeit kam irgendwann auch die Anerkennung: zum Beispiel in Form von Preisen und Auszeichnungen. Heute sind seine digitalen Konzepte – wie der Inverted Classroom – vorbildlich und werden vielerorts adaptiert. Jürgen Handke ist eine echte Institution, wenn es um Fragen der digitalen Lehre an Hochschulen geht.

„Wir haben überhaupt keine Scheitern-Kultur, und wenn jemand scheitert, ist er sozusagen gebrandmarkt. Und ich bin mit dem Inverted Classroom etwa um 2006/07 krachend gescheitert.“

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Jürgen Handke 2017 (Foto: privat)
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Jürgen Handke

Nur seine eigene Hochschule – so hat er es empfunden – hat ihn dafür nie wirklich geschätzt. Dazu war er wohl immer ein zu unabhängiger Kopf. Es zeigt sich: Wer konsequent seinen eigenen Weg geht, geht ihn manchmal auch ganz allein. Dinge durchzufechten, ist sehr oft auch sehr schmerzhaft. Da braucht es gesundes Selbstbewusstsein, intrinsische Motivation und ab und zu auch ein bisschen Glück.

Die Geschichte von Jürgen Handke wirft kein gutes Bild auf die Innovationsfähigkeit unserer Hochschulen, auch wenn man sie sicher nicht so pauschal verallgemeinern kann. Und dennoch: Überall in der Gesellschaft beschwören wir Offenheit, Neugier, Mut im Umgang mit dem Unbekannten. Jürgen Handke verkörpert all das und es scheint, dass ihm das nicht immer gut bekommen ist.

„Der klassische Wissensvermittler, und das sind nahezu 100 Prozent der Lehrenden an deutschen Hochschulen, steht vor einem Publikum als Gralshüter des Wissens und vermittelt Wissensmengen, die aber im Internet ohnehin da sind. “

Jürgen Handke

Trotz des bitteren Beigeschmacks: Jürgen Handke ist umtriebig und positiv geblieben. Er pflegt sein Netzwerk, reist durch die ganze Welt, präsentiert seine Roboter Pepper und Yuki auf Tagungen und Workshops, tummelt sich auf Twitter. Obwohl kurz vor dem Ruhestand stehend, wirkt er jugendlich, agil und immer noch angriffslustig. In seinem Unruhestand werden wir sicherlich noch viel von ihm hören: als Experte für digitales Lehren, vielleicht auch auf einem Bein stehend und die Querflöte spielend. Sein großes Idol, Ian Anderson von der legendären Band Jethro Tull, wird ihm dabei sicher wohlwollend zuhören.

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Jürgen Handke mit Yuki (Foto: Michael Sonnabend)
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Hören Sie hier die ganze Folge mit Jürgen Handke:

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Illustration: Sven Sedivy
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Der Durchfechter-Podcast

Beim Durchfechter-Podcast kommen ungewöhnliche Menschen zu Wort, die Bedeutendes gewagt haben: kühne Forscher, innovative Lehrer oder Menschen, die sich nicht unterkriegen lassen. Alle Folgen in der Übersicht finden Sie auf der Podcast-Homepage. Oder aber Sie abonnieren den Podcast direkt auf Ihrem Smartphone oder Tablet in der Podcast-App Ihrer Wahl. Durchfechter ist in allen wichtigen Podcast-Verzeichnissen gelistet, unter anderen bei iTunes oder bei Spotify. So verpassen Sie keine Folge des Durchfechter. 

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