„Diese Zeit ist die schwerste meines Lebens“, sagt Lu Miao (30). Hundert Bewerbungen hat er seit Januar geschrieben, allesamt für Stellen in München. Pro Brief braucht er bis zu einer Stunde. Er kann an einer Hand abzählen, wie viele Arbeitgeber ihn um ein Telefonat baten. Einladungen zu Gesprächen bekam er bisher keine.
Lu Miao stammt aus Nordchina, in Shanghai hat er Fahrzeugtechnik studiert. Zurzeit schreibt er seine Doktorarbeit zum Thema Fahrzeugaerodynamik an der Münchner TU. Dass er für seine Promotion ein begehrtes chinesisches Stipendium bekommen hat; dass er, um mit der deutschen Kultur vertraut zu werden, schon vor Jahren im Rahmen des Projekts „Wohnen für Hilfe“ zu einer älteren Dame gezogen ist und darum nicht nur sehr gut Deutsch spricht, sondern auch weiß, wie man einen deutschen Garten in Schuss hält, Käsekuchen backt und Weihnachten feiert; dass er beim Volleyballspielen viele Deutsche kennengelernt und Freunde gefunden hat; dass er eine Tätigkeit als Hilfswissenschaftler hatte, Kritik äußern und Nein sagen kann, was in seiner Kultur schwerfällt: All das scheint ihm gerade nicht zu helfen. „Wenn ich nicht zu Bewerbungsgesprächen eingeladen werde“, sagt er, „kann ich auch nicht zeigen, wie gut ich Deutsch spreche und was ich kann.“
Internationale Studierende wie er, die nach dem Studium in Deutschland Fuß fassen wollen, haben es nicht leicht. Umgekehrt ist es auch für Arbeitgeber schwierig, kompetente Fachkräfte aus Europa und anderen Teilen der Welt zu gewinnen. Dabei herrscht weiterhin Mangel, vor allem an Informatikern und Ingenieuren. Zwar waren die Marketingstrategien der Bundesregierung und des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) erfolgreich: Jeder zehnte Studierende kommt bereits aus dem Ausland. Aber: Anders als von Bund und Wirtschaft erhofft, gelingt es nicht, eine große Zahl der internationalen Studierenden in Deutschland zu halten. Lediglich 54 Prozent der Drittstaatsangehörigen fassen in Deutschland langfristig Fuß.