Wissenschaftskommunikation

Der gewissenhafte Doktor Whatson

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Foto: iStock/ graphorama
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Als Kind stillten die „Sendung mit der Maus“ und „Wissen macht Ah!“ seinen Wissensdurst. Mittlerweile erklärt er selbst auf YouTube, wie Naturgesetze oder technologische Innovationen funktionieren: Cedric Engels alias Doktor Whatson – einer der einflussreichsten Science-Tuber Deutschlands. 

Seine Videos bekamen auf dem gleichnamigen Kanal „Doktor Whatson“ bereits fast 14 Millionen Aufrufe. Sie erreichen vor allem Menschen unter 30 und tragen Titel, wie: „Warum existiert nicht Nichts?“ oder „Wie wiegt man Schwarze Löcher?“ Engels konzipierte Doktor Whatson als Grenzgänger, der Wissenschaft mit Journalismus, Bildung und Unterhaltung verknüpft. Sein Markenzeichen: die Denkerpose mit Hand am Kinn. 

Es ist beeindruckend, wie sorgfältig Cedric Engels, der Film studierte, die Dinge hinter den Kulissen vorbereitet. Oft sucht er bis zu drei seriöse Quellen, bevor er einen Inhalt in sein Videoskript einbaut. Wie bei einer Studienarbeit nummeriert er alle Quellen durch. Wer will,  findet die Quellenliste samt Links im Videobegleittext. Und Engels geht noch einen Schritt weiter: Die entsprechende Quellenziffer wird auch im Videobild kurz eingeblendet, wenn Doktor Whatson sich gerade auf eine Quelle bezieht.

Dieses akkurate Arbeiten gibt Cedric Engels ein gutes Gefühl. Er weiß, dass er Perfektionist ist. Es geht ihm aber vor allem darum, die Werte der Wissenschaft hochzuhalten und selbstverständlich auch die Wahrheit zu verteidigen – gerade in Zeiten, in denen Verschwörungstheoretiker Zulauf haben. Wenn Quatsch in den Kommentarleisten unter seinen Videos auftaucht, kontert er, „auch wenn sich das wie ein Kampf gegen Windmühlen anfühle“. Denn eine Richtigstellung samt Link zur seriösen Quelle löse in der Regel sofort einen Schwall neuer falscher Kommentare aus, erzählt der Science-Tuber. 

Das sind die Momente, in denen Cedric Engels seine ansonsten gute Work-Life-Balance ruiniert: Er hält dagegen. Das tut er gerne, weil er weiß, wie groß sein Einfluss auf die junge Generation ist. Wer die Kommentarleisten später nur durchlese, dürfe auf keinen Fall den Eindruck bekommen, dass an falschen Kommentaren womöglich doch etwas dran sein könnte, so Engels: „Es geht also nicht um die eine Person, die den ursprünglichen Falschkommentar abgegeben hat, sondern um die 100 oder 500 danach, die sich bloß durch die Kommentare scrollen, aber gar nicht interagieren.“ 

Doktor Whatson ist ein exzellentes Vorbild – vor allem weil Cedric Engels mit seinen 24 Jahren sehr erfahren ist und professionell mit den Tücken des Internets umgehen kann. Schon als Teenager hatte er als YouTuber experimentiert.

Cedric Engels (Foto: TWENTYTWO Film GmbH)
Cedric Engels (Foto: TWENTYTWO Film GmbH)
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Fast Forward Science

Seit 2013 organisiert der Stifterverband gemeinsam mit Wissenschaft im Dialog den Webvideo-Wettbewerb Fast Forward Science. Dieser ruft Studierende, Kommunikatoren, Forschende, Webvideomacher und an Wissenschaft Interessierte dazu auf, außergewöhnliche Webvideos zu Wissenschaft und Forschung einzureichen. Die Herausforderung: Die Videos sollen zugleich unterhaltsam, wissenschaftlich fundiert und verständlich sein. Auch Doktor Whatson beteiligt sich regelmäßig an dem Wettbewerb. Mit Erfolg: In diesem Jahr erreichte der Kanal mit dem Video „Ist dieser Schleimpilz ohne Gehirn intelligent?“ den dritten Platz in der Kategorie „Substanz“. 

Damals erklärte Engels unter dem Namen „Cynex“, wie man Punkte beim Ballerspiel „Call of Duty“ absahnt. YouTube war seine Welt, wo er dann auch sein großes Vorbild fand: den US-Amerikaner Michael Stevens, der auf „Vsauce“ seit 2010 seriöse Videos über physiologische, philosophische und wissenschaftliche Themen veröffentlicht, die immer auch etwas verrückt rüberkommen.

„Das erste Spiel, das ich auf YouTube besprochen habe, war Call of Duty – ein Ballerspiel, ein Killerspiel, wie man in den Medien sagen würde. Da war ich selbst noch keine 18 Jahre alt, faszinierenderweise.“

Cedric Engels (Foto: TWENTYTWO Film GmbH)
Cedric Engels (Foto: TWENTYTWO Film GmbH)
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Cedric Engels

Heute versteht sich Cedric Engels weniger als YouTuber oder Influencer, sondern als Wissenschaftsjournalist. In dieser Rolle fühlt er sich pudelwohl. Das Schrille liegt ihm gar nicht, auch mit humorvollen Erklärungen tut sich der Filmproduzent vor der Kamera eher schwer. Engels glaubt, dass er deshalb auch älter rüberkommt, als er ist, vor allem bei seiner jungen Fangemeinde. Die hat ihm auch schon mal einen richtigen Tiefschlag verpasst: Als Doktor Whatson Ende 2019 in einem Video erstmals gendert und „WissenschaftlerInnen“ sagt, hagelt es Kritik. Viele drohten ihm damals, das Kanalabonnement zu kündigen, einige taten es sofort, andere schrieben: „Was soll die Scheiße?“ 

Über 90 Prozent der Abonnenten von Doktor Whatson sind Männer, was Cedric Engels richtig unzufrieden macht – nicht bloß wegen der harschen Kritik am Gender-Versuch. Seine Inhalte sollen alle erreichen. Er glaubt, dass nicht die Themen seiner Videos Frauen abschrecken, sondern der YouTube-Algorithmus die hohe Männerrate produziert. Engels vermutet als Grund eine Art Teufelskreis: Bloß weil anfangs mehr Männer geschaut haben, schoss sich der Algorithmus darauf ein und schlägt die Videos nun immer weiter verstärkt Männern vor.

Hören Sie hier die ganze Durchfechter-Folge mit Cedric Engels:

Wie die Falschkommentare geht Cedric Engels auch diese Baustelle tatkräftig an: Die in den Videos gezeigten Bildsequenzen sind mittlerweile weiblicher und diverser, so oft es geht, spricht er mit Wissenschaftlerinnen, auch eine weibliche Co-Moderatorin ist im Gespräch. Der Kanal Doktor Whatson, den Engels noch während seines Studiums als Wohnzimmerprojekt startete, ist längst nicht mehr bloß sein Baby. Mittlerweile stärkt ein Team ihm den Rücken: Cedric Engels hatte nach dem Studium an der „ifs internationale filmschule köln“ gleich am nächsten Tag die „Twentytwo Film GmbH“ in Köln gegründet.  

Nun ist die Firma schon so etwas wie ein Zuhause. Er liebt es, freie Entscheidungen zu treffen, weiß aber auch über die Kraft eines Teams. Einige seiner Kollegen sind langjährige Freunde, mit denen Engels studiert und noch viel vor hat. „Kreativ ausleben“ steht hierbei weit oben auf der Liste. 

„Nachdem ich Ende 2019 in einem Video erstmals WissenschaftlerInnen gesagt habe, wollten einige meiner Fans meinen Kanal deabonnieren. Sie schrieben: 'Was soll die Scheiße?' Das nimmt mich noch heute mit.“

Cedric Engels (Foto: TWENTYTWO Film GmbH)
Cedric Engels (Foto: TWENTYTWO Film GmbH)
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Cedric Engels
Science-Tuber

Darüber hinaus möchte der Science-Tuber andere animieren, es ihm gleichzutun – vor allem Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sollten sich vorwagen, findet Engels, und selbst berichten: „Weil sie besonders nah dran sind an spannenden Wissenschaftthemen“. Er will ihnen die Ängste oder Vorbehalte vor dem Agieren auf YouTube nehmen, gibt deshalb auch sehr gerne seine Erfahrungen weiter, wie man es am besten anstellt. Engels klärt auf, „dass man nicht unbedingt sein Gesicht zeigen muss“ und „Hasskommentare sich durch Moderatoren entfernen lassen, wenn man kein dickes Fell besitzt“.

Alles in allem scheint es so, als sei Cedric Engels schon da angekommen, wo er im Leben hinwollte. Da ist was dran, so sagt er selbst: „Am Ende des Tages habe ich einfach nur Glück gehabt, dass ich alles so schnell gefunden habe und jetzt bleibe ich darauf sitzen.“ Ganz nach dem Motto: „Don’t change the winning team!“

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Illustration: Sven Sedivy
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