Das ist eine Konstante, die sich durch sein Mathematikerleben zieht: Immer war Jürgen Richter-Gebert an der Spitze dabei. Das fing schon in der Schule an, damals in der Nähe von Darmstadt, wo seine Eltern ein Gardinengeschäft betrieben. So gut war er in Mathe, dass seine Mitschüler ihm, dem geschmähten Streber, einmal sogar auflauerten und ihn verbläuten. In der Oberstufe bat ihn sein Lehrer, er möge um Gottes Willen nicht mehr aufzeigen, damit die anderen Schüler auch einmal zu Worte kämen. „Einmal aber kam dieser Lehrer morgens in die Klasse, setzte sich in die Ecke und klagte, er habe am Abend zuvor so viel getrunken, dass ihm sein Kopf zum Zerspringen wehtue“, erinnert sich Jürgen Richter-Gebert – er weiß es noch genau, denn kurzerhand ernannte ihn der Lehrer zu seinem Stellvertreter, und so baute sich der Elftklässler vorne an der Tafel auf und improvisierte eine Unterrichtsstunde über Stochastik.
Bei Jugend forscht baute er zu der Zeit Computerbildschirme aus Oszilloskopen und ein Texterkennungssystem. Oder später im Studium: Er war im vierten oder fünften Semester, als 1986 in Darmstadt eine Symmetrieausstellung stattfand. Eine riesige Aktion war das, die sich über ein Dreivierteljahr hinzog, beteiligt waren von der Universität über das Staatstheater bis hin zum Ballett alle denkbaren Einrichtungen, und ein Matheprofessor beauftragte den vielversprechenden Studenten, ein Exponat zum abstrakten Thema „Klassifikation von Symmetriegruppen“ zu erstellen. Jürgen Richter-Gebert setzte sich also vor seinen Computer („ein Atari 1040 ST, ein ganz toller Steinzeitcomputer!“) und entwickelte ein Programm, mit dem sich Ornamente zeichnen lassen. Das war der Moment, in dem er sich endgültig für die Geometrie als Spezialdisziplin entschied.