Glücklicherweise ließ der Versailler Vertrag vom 28. Juni 1919, der Deutschland die Alleinschuld am Ersten Weltkrieg gab, der Wissenschaft viel Luft. Die durch den Krieg gestärkte Chemieindustrie bekam zwar ihre Verfahrenspatente entzogen und auch für die deutsche Rüstungsindustrie galten scharfe Auflagen. Universitäten und Akademien zählten aber noch zum Kulturbereich, weshalb der deutschen Wissenschaftspolitik ein Handlungsspielraum blieb – auch für die Chemieforschung, die in Deutschland teils schon wirtschaftsnah arbeitete und von 1901 bis 1933 beachtliche 14 Chemie-Nobelpreisträger ermöglichte. Mehr noch, dieser Freiraum war bestens für eine neue Kulturpropaganda geeignet: Gelehrte und Konzernvorstände erklärten die Wissenschaft zum einzigen Machtfaktor, den das deutsche Volk noch besitze. Die dort herrschende Not zu lindern und ihren Nachwuchs zu stärken, galt nun als ein definiertes, gemeinschaftliches Ziel von nationaler Bedeutung.
Hintergrund ist, dass sich sowohl Wissenschafts- als auch Industrielenker zu Zeiten der Revolution vor einem „sozialistischen Staat“ sorgten. Unter ihnen herrschte schnell Konsens, dass allein mit einer wissenschaftlich fundierten und kraftvollen Wirtschaft der Wiederaufstieg Deutschlands glücken kann – wofür man dringend Geld brauchte. Die deutsche Wissenschaft „als Machtersatz“ zu betiteln, war dabei ein guter Weg, um sich im Reichstag Stimmen für eine öffentliche akademische Forschungsförderung zu sichern – wie auch Spenden aus der Gesellschaft und Wirtschaft.
Natürlich wollte man bei der Vergabe dieser Gelder mitbestimmen. Notgemeinschaft und Stifterverband zu gründen, waren damit fast schon logische nächste Schritte. Friedrich Schmidt-Ott, der hierfür mit seinem kaiserzeitlichen Ministerialhintergrund und seinen guten Verbindungen in die Politik, Wissenschaft und Wirtschaft die Fäden zog, beschrieb es so: „Der Grundgedanke der Notgemeinschaft und ihre Bestimmung war, der durch Menschenverlust und Inflation wie durch die Verödung der Institute und Mutlosigkeit schwer geschädigten Wissenschaft zu neuem Leben zu verhelfen.“