Future Skills

Schluss mit der Datenphobie!

Jana Lasser (Foto: Damian Gorczany)
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Daten beißen nicht. Trotzdem haben viele Leute eine diffuse Angst vor ihnen. Sogar, man mag es kaum glauben, die Vertreter der Generation der sogenannten Digital Natives: So viele Daten! So unkontrollierbar! So schwierig einzuordnen! Gut – wer ein wirtschaftswissenschaftliches Fach, Mathematik, Informatik oder ein naturwissenschaftliches Fach studiert, hat fast vom ersten Studientag an mit Zahlen und Daten zu tun. Aber in den Geisteswissenschaften?

Daten richtig lesen

Jana Lasser, promovierte Physikerin sowie Programmiererin und „Data-Scientist“ aus Leidenschaft an der Georg-August-Universität Göttingen, lacht, wenn man sie danach fragt. „Egal ob aus den Naturwissenschaften oder den Geisteswissenschaften: Endgeräte wie etwa ein Smartphone oder ein Tablet werden von sehr vielen nur als eine Art Blackbox wahrgenommen – ohne wirklich zu wissen, wie Daten darin verarbeitet werden. Wie wenn man essen geht: Das Essen weiß man zu schätzen – ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie es zubereitet wird.“

Die Uni Göttingen hat sich das Thema Digitalisierung in Forschung und Lehre schon vor einiger Zeit auf seine Fahne geschrieben – als ein Kernthema bei der Bewerbung im Exzellenzstrategie-Wettbewerb. Künftig sollen deutlich mehr der gut 30.000 Studierenden als bislang wissen, „wie das Essen zubereitet wird“, deshalb hat die Uni das Projekt „Daten Lesen Lernen“ ins Leben gerufen. Jana Lasser koordiniert das Vorhaben, die Federführung des Projekts hat das Institut für Statistik übernommen. Herzstück ist die für Bachelorstudierende aller Fächer gerade gestartete Lehrveranstaltung „Data Literacy Basics“, die grundlegende Datenkompetenzen praxisorientiert und forschungsnah vermittelt. 

Jana Lasser (Foto: Damian Gorczany)
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Jana Lasser, Post-Doc an der Universität Göttingen, beschreibt sich selbst als „Data Science Enthusiast“.

Bislang half Lasser im Rahmen ihrer eigenen Lehrverpflichtungen Promovierenden in Sachen Datenwissen auf die Sprünge. Dass nun auch Bachelorstudierende dabei sind, findet die 28-jährige gebürtige Grazerin, die 2009 zum Studium nach Göttingen kam, sehr sinnvoll: „Meine Kollegen und ich werden sie natürlich nicht zu Programmierern ausbilden, sondern nur die Grundlagen vermitteln. Die Studierenden sollen algorithmisches Denken lernen, das haben viele nicht automatisch mitgegeben bekommen, speziell Geisteswissenschaftler.“ Viele der Studierenden haben Mathematik in der Schule vor dem Abitur abgewählt und hatten nie Informatik als Fach in der Schule. Das rächt sich im Studium.

„Ob Archäologen, Sozialwissenschaftler, Literatur- oder Sprachwissenschaftler: Datenanalyse ist auch in diesen Fächern ein wichtiges Tool.“

Jana Lasser (Foto: Damian Gorczany)
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Jana Lasser

Es soll nun genug Programmierwissen vermittelt werden, um sich schnell konkreten Problemen zuwenden zu können, wie etwa Datensätze in Diagramme und andere Visualisierungen umzuwandeln. Dabei kommen die Programmiersprachen „R“ und „Python“ zum Einsatz. Lasser, die in ihrem eigenen Studium zwar permanent mit der Verarbeitung von Daten zu tun hatte und ihre Doktorarbeit über „Musterbildung in Salzwüsten“ schrieb, belegte selbst auch erst im fünften Semester einen Crashkurs in Programmieren und hatte sofort großen Spaß daran. Sie betont: „Während der Promotion anzufangen, sich diese Kenntnisse anzueignen, ist definitiv zu spät.“ Dann nämlich habe die „Datenparalyse“ schon voll zugeschlagen: die eingangs erwähnte Angst und innere Abwehr, sich damit zu beschäftigen. Die mache sich bei Geisteswissenschaftlern besonders deutlich bemerkbar – zu Unrecht, findet Jana Lasser, denn: „Ob Archäologen, Sozialwissenschaftler, Literatur- oder Sprachwissenschaftler: Datenanalyse ist auch in diesen Fächern ein wichtiges Tool.“

Zum Beispiel: Archäologiestudierende können mithilfe von Algorithmen ein System entwickeln, um Objekte zu klassifizieren. Literaturwissenschaftler oder Sprachwissenschaftler können mittels Datenanalyse den Sprachstil von Schriftstellern miteinander vergleichen. Auch die inzwischen berühmte Plagiatsplattform „VroniPlag Wiki“ arbeitet nach einem ähnlichen Muster. „Eine Linguistin etwa hat im Studium die Verfassungen von 216 Staaten miteinander verglichen, um herauszufinden, wer von wem quasi abgeschrieben hat. Mithilfe von Programmen für die Datenanalyse ist das keine unlösbare Aufgabe“, nennt Jana Lasser ein weiteres Beispiel.

Neues Lernen: kreativ und digital

Das von Jana Lasser mitentwickelte Data-Lab ermöglicht neues Arbeiten zwischen den Disziplinen.
Foto: Damian Gorczany
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Das Projektteam etabliert derzeit außerdem ein Data-Lab als Schnittstelle zwischen den verschiedenen Fächern. Die Universitätsbibliothek hat für diesen Digital-Creative-Space 400 Quadratmeter Fläche abgetreten. Übungen sollen dort abgehalten werden, Arbeitsgruppen sollen interdisziplinär und kollaborativ an digitalen Projekten wie zum Beispiel der Entwicklung von neuen Apps arbeiten. Touchscreens, Beamer und andere Arbeitswerkzeuge stehen dafür bereit – außerdem große Tische, Hocker und Sofas, mit denen sich verschiedene Arbeitszonen einrichten lassen.

All das, inklusive der Mitarbeitenden, die die Lehrveranstaltungen für die Bachelorstudierenden durchführen, kostet natürlich Geld. Der Stifterverband und die Heinz Nixdorf Stiftung fördern die Uni Göttingen als eine von drei Hochschulen mit jeweils bis zu 250.000 Euro im Rahmen der Initiative Future Skills (siehe Kasten). Deren Ziel ist es, den Erwerb von Data Literacy – also die Fähigkeit, nicht nur im Studium, sondern vor allem auch später in der Arbeitswelt mit Daten sicher und zielgerichtet umgehen zu können – fachübergreifend zu etablieren.

Um die Lehrveranstaltung außerdem mit konkreten praktischen Anwendungsprojekten zu verknüpfen, kuratiert das Projektteam, als dritte Säule des Projekts, eine qualitätsgeprüfte Sammlung von sogenannten Open Educational Resources (OER) – Onlinekurse, die, verknüpft mit einer geeigneten Prüfungsform, für das Studium anrechenbar sind. „Wir können nur die Basics abdecken in unserer Lehre – aber es gibt sehr gute vertiefende MOOCs anderer, auch ausländischer Hochschulen, die unsere Studierenden nutzen können sollen.“ Umgekehrt sollen andere Hochschulen auf ausgewählte Lehrveranstaltungen der Göttinger zugreifen können.

Wettbewerb Data Literacy Education

Daten erfassen, erkunden, managen, kuratieren, analysieren, visualisieren, interpretieren, kontextualisieren, beurteilen und anwenden - diese Fähigkeiten (neudeutsch: Data Literacy) sind in der heutigen Zeit unverzichtbar. Dennoch stehen sie noch an zu wenigen Hochschulen auf dem Lehrplan. Mit dem Förderprogramm Data Literacy Education möchten die Heinz Nixdorf Stiftung und der Stifterverband dies nun ändern und den Erwerb von Data Literacy für Studierende aller Fächer an deutschen Hochschulen etablieren. Es werden insgesamt drei Hochschulen mit jeweils bis zu 250.000 Euro gefördert. Internationale Vorbilder für ein institutionelles Angebot zur Vermittlung von Data Literacy sind zum Beispiel das Data Science Education Program der UC Berkeley oder die Moore-Sloan Data Science Environments.

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Datenwissen ist keine Zauberei

Jana Lasser (Foto: Damian Gorczany)
Jana Lasser (Foto: Damian Gorczany)
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Jana Lasser ist mit Begeisterung bei ihrer Aufgabe und sieht sich als Verbindungsglied zwischen Projekt und den Fakultäten: Deren Bedarf wird sie ermitteln und für neue Ideen im Bereich Digitalisierung werben. „Da jede Fakultät anders ‚tickt‘, ist das eine Herausforderung.“ Und so wie die Wissenschaftlerin ihrer modischen Kurzhaarfrisur in regelmäßigen Abständen eine neue knallige Haarfarbe verpasst – „Ich glaube, ich habe das ganze Farbspektrum durch“ –, so schätzt sie auch in ihrem Arbeitsalltag die Abwechslung. „Die Vermittlung von Data-Literacy auf den verschiedenen Ebenen des Projekts macht mir gerade sehr viel mehr Spaß, als für die Studienanfänger nur die üblichen Grundlagenvorlesungen in Physik durchzuführen. Die kenne ich ja noch aus meinem eigenen Studium.“

Mit dem Projekt lerne sie selbst auch noch dazu, sagt Lasser. „Die Studierenden nehmen Leute wie mich als eine Art Hackergötter wahr. Aber, wie gesagt: Datenwissen ist keine Zauberei. Auch mir wurde das nicht in die Wiege gelegt.“ Sie lächelt bei der Erinnerung an ihre eigene Schulzeit: „Ich ging auf eine Waldorfschule – Informatik kam im Lehrplan nicht vor.“ Erst kurz vor ihrer Bachelorarbeit habe sie die Faszination für die vielen, auch kreativen Möglichkeiten des Datenprogrammierens gepackt. So sehr, dass sie sich für ihre Bachelorarbeit über die Transportnetzwerke in Pflanzen eines Themas annahm, für das sie selbst eine Software schreiben musste. „Ob richtig oder falsch – man bekommt beim Programmieren sofort Feedback. Das ist großartig!“ Und genau davon will sie Studierende überzeugen.

Patrick Neubert (Foto: Damian Gorczany)
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