Es gibt Hochschulen, die Kurse zur gesunden Stressbewältigung oder ein Präsentationstraining anbieten. Ist das wirklich Aufgabe einer Hochschule?
Die Frage zielt ja darauf, welche Marktmodelle funktionieren und welche nicht. Bislang haben viele Hochschulen, wenn sie denn Weiterbildung anbieten, auf komplette Studienabschlüsse gesetzt. Aber dafür gibt es natürlich eine begrenzte Nachfrage: Nicht viele können sich mehrere Jahre lang neben ihrem Beruf ein komplettes Weiterbildungsstudium vorstellen. Besser funktionieren abgegrenzte Module, die man einzeln belegen kann und die separat zertifiziert werden. Manchen Interessenten reicht das aus. Und wer doch einen Abschluss anstrebt, der kann diese einzelnen Module zu einem kompletten Studium zusammensetzen.
Manche Firmen ergreifen selbst die Initiative und bieten eigene Kurse an, in denen erfahrene Mitarbeiter ihre Kollegen weiterbilden.
Das geschieht immer häufiger, vor allem unter Nutzung intelligenter Lernsysteme und digitaler Plattformen. Auch hier gilt: Das Maß aller Dinge sind die Kompetenzen, die jemand vermittelt bekommt, und nicht der Weg, wie er sie sich aneignet. Dabei werden digitale Angebote eine immer entscheidendere Rolle einnehmen. Es gibt im digitalen Raum übrigens vermehrt Bildungsanbieter, von denen man nie geglaubt hätte, dass sie etwas mit Weiterbildung zu tun haben.
Jetzt bin ich gespannt!
Bei Jobnetzwerken wie LinkedIn denkt jeder an Recruiting-Portale: Ich stelle meinen Lebenslauf ein und finde dadurch einen besseren Job. Das war ja auch die Ursprungsidee. Doch inzwischen passiert Folgendes: In einer Anzeige sucht eine Firma einen IT-Manager, der sich im Datenmanagement auskennt, Webseiten programmieren und noch vier weitere Kompetenzen nachweisen kann. Wenn jemand von diesen sechs gefragten Kompetenzen nur fünf mitbringt, werden ihm auf diesen Plattformen automatisch Kurse angezeigt, in denen er sich die fehlenden Kenntnisse aneignen kann.
… und dafür wieder an die Uni muss?
Nein, gerade nicht! Da findet man zum Beispiel von Firmen produzierte Videos, wo einem jemand erklärt, wie etwas funktioniert. Es gibt auch Universitätskurse mit aufwendigen Lernumgebungen, wo ein konkreter Mentor dahintersteht, der individuelle Nachfragen beantwortet. Manches ist kostenlos, manches muss man bezahlen. Nicht selten finden sich dort übrigens Kursangebote von ausländischen Universitäten. Interessant sind Plattformen wie „Academy Cube“ deshalb, weil sowohl Unternehmen als auch Bildungseinrichtungen dort ihre Weiterbildungsangebote einstellen – und jeder kann mit einem Klick entscheiden, was ihm davon zusagt. Das ist die Zukunft!
Aber niemand sagt mir, ob die Inhalte, die ich lerne, auch wirklich hochwertig sind. Ist das nicht ein großes Manko?
Das Problem haben Sie auch im Bereich der zertifizierten Hochschulbildung. Auch im ersten Semester Anglistik können Sie in die langweilige Vorlesung eines Professors geraten, der sie seit Jahrzehnten unverändert so hält. Ich bin überzeugt, dass jeder schnell erkennt, was von hoher Qualität ist und was nicht.
Ertappen Sie sich manchmal selbst bei dem Gedanken: Nein, mit lebenslangem Lernen will ich mich jetzt nicht auch noch auseinandersetzen?
Nein, im Gegenteil: Ich bin froh, wenn ich jeden Tag etwas dazulerne. Es gibt doch da diese wunderbare Geschichte von Bertolt Brecht.
Welche meinen Sie?
Die „Geschichten vom Herrn Keuner“. Darin trifft der Protagonist einen Bekannten, der ihm sagt: „Sie haben sich ja gar nicht verändert!“ Daraufhin erblasst Herr Keuner peinlich berührt. Ich finde, in diesen kurzen Zeilen steckt viel Wahres: Sich weiterzuentwickeln ist etwas, das uns alle antreiben sollte.