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Der Wasser-Prophet

Harald Kunstmann (Foto: Karlsruher Institut für Technologie)
Harald Kunstmann (Foto: Karlsruher Institut für Technologie)
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Herr Kunstmann, Sie forschen seit vielen Jahren zum Wasserressourcenmanagement in Regionen mit Wasserknappheit. Ist Wasser die entscheidende Ressource auf diesem Planeten?
Nach der Luft ist Wasser die wichtigste Ressource, denn ohne Wasser gibt es kein Leben. Gleichzeitig wird die Ressource Wasser trotzdem häufig gering geschätzt, denn der Mensch ist geneigt, Wasser in ausreichender Menge als selbstverständlich anzunehmen. Dem ist aber nicht so.

Warum?
Die Verfügbarkeit der Ressource Wasser wird sich, um nur mal ein Beispiel zu nennen, ändern, weil die Weltbevölkerung nach Schätzungen der Vereinten Nationen bis Ende des Jahrhunderts von derzeit 7,8 auf fast elf Milliarden Menschen wachsen wird. Unabhängig von den Auswirkungen der Klimaveränderung wird schon allein dadurch die Wasserverfügbarkeit pro Kopf abnehmen. Die Ressource Wasser wird in vielen Teilen der Erde zum limitierenden Faktor.

Sie widmen sich dem Umgang mit Wasser im globalen Süden, insbesondere in den südlich der Sahara gelegenen Staaten Afrikas. Was macht für Sie als Wissenschaftler den Reiz dieser Region aus?
Ein Großteil der Bevölkerung lebt von der Subsistenzlandwirtschaft, bewirtschaftet die Felder also überwiegend für den Eigenverbrauch. Durch die globale Erwärmung verändert sich der Wasserkreislauf, Extremereignisse wie Hochwasser oder Dürre werden häufiger. Das führt zur Nahrungsmittelknappheit und hat gravierende Auswirkungen auf die dort lebenden Menschen. Erschwerend im Umgang mit Wasser kommt hinzu, dass insbesondere die Bevölkerung Afrikas bis zum Jahr 2100 stark zunehmen wird, und zwar von derzeit 1,3 auf geschätzt vier Milliarden. Das wird vor allem die Region Subsahara-Afrika vor große Probleme stellen. Wir hoffen mit unserer Forschung Lösungsansätze zu finden, mit denen Entscheidungen im Wassermanagement besser unterstützt werden. Für mich als Wissenschaftler ist dabei eine wesentliche Herausforderung, dass Daten nur schwer oder kaum verfügbar sind und Entscheidungen unter Unsicherheiten getroffen werden müssen.

Die Stiftung hat mit dem Preis Ihre herausragenden Leistungen im Bereich des nachhaltigen Wasserressourcenmanagements gewürdigt, insbesondere die von Ihnen entwickelten Atmosphäre-Hydrologie-Modellsysteme zur subsaisonalen und saisonalen Vorhersage (S2S) der Wasserverfügbarkeit. Was können sie leisten?
Mit den S2S-Vorhersagemodellen können wir für bis zu sieben Monate im Voraus die Wahrscheinlichkeiten für anormal heiße, trockene oder feuchte Perioden ableiten. Wir leiten Kategorien ab wie „extrem trocken“, „sehr trocken“, „moderat trocken“ und „normal“. Diese Vorhersage visualisieren wir auf einer Website, damit Anwender, wie etwa Behörden, Unternehmen oder insbesondere Landwirte, darauf zugreifen können. Den Landwirten hilft das, weil sie sich zum Beispiel bei einer hohen Wahrscheinlichkeit für starke Trockenheit für ein Saatgut entscheiden können, das zwar weniger Ertrag bringt, dafür aber dürreresistenter ist. Mit dieser Information können sie Ertragsverluste minimieren oder den Gewinn maximieren.

Harald Kunstmann (Foto: Karlsruher Institut für Technologie)
Harald Kunstmann (Foto: Karlsruher Institut für Technologie)
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Zur Person

Harald Kunstmann forscht seit zwei Jahrzehnten an den regionalen Auswirkungen des Klimawandels auf die terrestrische Hydrologie. Eine seiner Hauptaufgaben: die genaue raumzeitliche Erfassung des Niederschlags. Dazu nutzt er unter anderem Messtechniken wie die Richtfunkstrecken kommerzieller Mobilfunkunternehmen. Er hat den Lehrstuhl „Regionales Klima und Hydrologie“ an der Universität Augsburg inne und ist stellvertretender Leiter des Instituts für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT-Campus Alpin). Seit 2021 ist er zudem Gründungsdirektor des Zentrums für Klimaresilienz an der Universität Augsburg. Für seine Arbeit erhielt er 2021 den mit 100.000 Euro dotierten „Wasser-Ressourcenpreis“.

Interview mit Harald Kunstmann zum Jahrhundert-Hochwasser im Juli 2021

Worauf basieren diese Systeme?
Es handelt sich um regionale Modelle, die in ein globales Atmosphärenmodell eingebettet sind. Diese räumlich sehr grob aufgelösten Informationen verfeinern wir mit Modellsystemen derart, dass regional und lokal Entscheidungen unterstützt werden können. Dazu müssen wir beispielsweise über die Landoberfläche und den Untergrund Bescheid wissen. So können wir berechnen, wie viel Niederschlag ins Grundwasser wandert oder von Vegetation und Boden aufgenommen wird. Wir brauchen also hochwertige Daten der Landnutzung, der Vegetation, der Bodeneigenschaften oder der Geländemorphologie.

Wie bekommen Sie diese Daten?
Für die Atmosphäre nutzen wir in der Regel öffentlich zugängliche globale Daten zum Beispiel von europäischen Wetter- und Klimazentren, zudem setzen wir auf satellitenbasierte Fernerkundungsdaten und Daten lokaler hydrologischer Dienste. Vor Ort haben wir häufig auch eigene hydrometeorologische Messstationen aufgebaut, mit denen wir unsere Modelle präzisieren.

Sie forschen seit mehr als 20 Jahren in Subsahara-Afrika. Wie macht sich der Klimawandel dort bemerkbar?
In Regionen wie Ghana und Burkina Faso hat sich der Beginn der Regenzeit in den vergangenen 40 Jahren um 35 Tage nach hinten verschoben. Das zeigt, dass traditionelles Wissen um den besten Zeitpunkt der Aussaat nicht mehr angewendet werden kann. Den Beginn der Regenzeit besser vorherzusagen ist nicht so trivial, wie es klingen mag, denn entscheidend ist, dass nach den ersten Tropfen nach der Trockenheit weiter ausreichend Niederschlag fällt, damit das Saatgut und die Jungpflanzen nicht verloren gehen. Eine grundsätzliche Verschiebung kann auch, wie etwa in Kenia, zur Folge haben, dass die Aussaat nicht mehr mit der Lufttemperatur zusammenpasst, wenn eine kalte Zwischenperiode kommt. Jungpflanzen können dann erfrieren.

 

Foto: Harald Kunstmann
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Hararld Kunstmann baut in Ghana eine seiner Messstationen auf.

„Es ist ein Irrtum zu glauben, dass uns in Europa die Wasserverfügbarkeit in Afrika, China, Indien oder Südamerika nicht interessieren müsste, nur weil es hierzulande ganz grün aussieht. Der Wasserkreislauf ist global, Feuchtigkeit transportierende Luftmassen stoppen nicht an politischen Grenzen.“

Harald Kunstmann (Foto: Karlsruher Institut für Technologie)
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Harald Kunstmann
Dürre in Afrika: Die Vorhersage-Modelle von Harald Kunstmann sollen den Menschen in Afrika helfen, die Regenphasen besser für ihre Landwirtschaft zu nutzen.
Foto: Harald Kunstmann
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Große Teile Deutschlands haben drei trockene Jahre hinter sich. Müssen wir uns Sorgen machen, dass wir in Zukunft nicht mehr genug Wasser haben?
In der Fläche nicht, aber in einzelnen Regionen wie Brandenburg oder Franken auf alle Fälle. Im Steigerwald in Unterfranken gibt es stellenweise nur 350 Millimeter Jahresniederschlag. Das ist weniger als die Hälfte des jährlichen Durchschnitts von Deutschland und vergleichbar mit Athen. Die Probleme im Wald erkennt auch der Laie: Die Buchenwälder zeigen massive Schäden. In den tieferen Bodenschichten herrscht extreme Trockenheit. Für die Trinkwasserversorgung sehe ich großflächig aber noch keine grundsätzlichen Probleme.

Sie plädieren für einen nachhaltigen Umgang mit Wasser. Ist das nicht selbstverständlich?
Nachhaltiges Wassermanagement müsste eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, leider verhält sich die Gesellschaft konträr dazu. Sie nimmt nicht wahr, wie bedroht die Wasserverfügbarkeit mittlerweile ist, und schon gar nicht, dass wir über unsere Güter und Warenströme mit dem Wasserkreislauf weit entfernter Regionen verbunden sind. Es ist also ein Irrtum zu glauben, dass uns in Europa die Wasserverfügbarkeit in Afrika, China, Indien oder Südamerika nicht interessieren müsste, nur weil es hierzulande ganz grün aussieht. Der Wasserkreislauf ist global, Feuchtigkeit transportierende Luftmassen stoppen nicht an politischen Grenzen. Kaufe ich ein T-Shirt, stammt die Baumwolle aus der Türkei oder aus Burkina Faso, wo dafür Plantagen bewässert werden mussten und in den Wasserhaushalt womöglich nicht nachhaltig eingegriffen wurde. Die Aufmerksamkeit, die die Klimaforschung und die globale Erwärmung mittlerweile im öffentlichen Bewusstsein und der politischen Diskussion haben, brauchen wir auch für das Thema Wasser.

Was bedeutet Ihnen vor diesem Hintergrund die Auszeichnung?
Es freut mich außerordentlich, dass das Thema Wasserressourcen, insbesondere in der Subsahara, mit dem Preis eine größere Aufmerksamkeit erlangt hat. Die Region steht vor großen Problemen, von denen wir in Deutschland kaum etwas mitbekommen. Auch für mich persönlich bedeutet die Auszeichnung viel: Zum einen gibt es kaum Forschungspreise auf dem Gebiet der Wasserforschung, deswegen ist der Preis etwas Besonderes. Zum anderen ist es auch eine Anerkennung für die Anstrengungen, die mein Team und ich in dieser schwierigen Region auf uns nehmen und die verbunden sind mit Entbehrungen wie etwa der längeren Abwesenheit von unseren Familien während der Forschungsaufenthalte vor Ort.

Rüdiger Kurt Bode-Stiftung im Stifterverband

Die Rüdiger Kurt Bode-Stiftung im Stifterverband wurde 2009 vom Hamburger Pharmazeuten und Unternehmer Rüdiger Bode zur Förderung der interdisziplinären Forschung auf dem Gebiet der Lebens- und Naturwissenschaften errichtet. Schwerpunkt des Stiftungsprogramms ist die Vergabe des 2011 ins Leben gerufenen und mit 100.000 Euro dotierten Wasser-Ressourcenpreises, der im Dreijahresturnus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auszeichnet, die in interdisziplinärer, praxisorientierter Forschungsarbeit an der Schnittstelle von Wissenschaft und Gesellschaft herausragende Strategien und Konzepte für eine nachhaltige Nutzung der globalen Wasserressourcen entwickeln. Das Preisgeld dient dazu, die Forschungsmöglichkeiten der Ausgezeichneten zu erweitern.

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