Was bedeutete diese Entwicklung für Sie persönlich?
Ich weiß schon, dass man es in der Wissenschaftskommunikation nicht jedem recht machen kann. Mit öffentlichen Diffamierungen hätte ich trotzdem nicht gerechnet. Unangenehm ist das besonders, wenn das aus der eigenen Community kommt. Mir wurde dann vor fast 200 Leuten beim Deutschen Fischereitag lautstark vorgeworfen, dass ich „unwissenschaftlich“ oder als passionierter Angler „parteiisch“ wäre, dass das „nur mathematische Modelle oder Laborversuche sind, die nichts mit der Praxis zu tun haben“. Von Tierschützern bekam ich anonyme Schmähbriefe. Es hagelte Anzeigen gegen Fische zurücksetzende Angler. Unser Institut wurde aufgefordert, keine weiteren Informationsveranstaltungen für Angler anzubieten. Der Disput zog sich von den sozialen Medien bis hin zu Bestsellersachbüchern.
Da haben Sie etwas erlebt, was der Virologe Christian Drosten zurzeit offen kritisiert. Wie geht man damit um?
Das Beste ist hier, stets sachlich zu bleiben und auf die Grenzen von Wissenschaft und die Unsicherheit von Aussagen hinzuweisen. Wenn es zu persönlich wird, kann man auch wie Herr Drosten sagen: „Bis hierher und nicht weiter.“ Ich habe über viele Jahre bestimmte nationale Tagungen nicht mehr besucht und nicht weiter versucht, bestimmte Überzeugungen zu verändern. Denn offensichtlich war es einigen egal, welche wissenschaftliche Erkenntnis wir auf den Tisch legten.
Ich habe für zehn Jahre die Zielgruppe gewechselt: Statt mit der nationalen Fischereiverwaltung oder mit Verbänden habe ich direkt mit Anglern und Bewirtschaftern in Angelvereinen oder mit Vertretern der internationalen Fischereipolitik geredet. Ich habe Kolumnen in den Anglermedien verfasst, Vortragstourneen angeboten, Leitfäden für den Praktiker geschrieben, Comics und Erklärfilme entwickelt und weiter geforscht und publiziert. Und siehe da: Mittlerweile ist meine Forschungserkenntnis fast schon Mainstream geworden und wurde bereits zu einer Fischereigesetznovellierung umgesetzt, wie in Hamburg der Fall. Dort sind die Mindestmaße per Gesetz abgeschafft und es gibt nur noch Entnahmefenster. Dutzende Anglervereine haben ihre lokalen Bestimmungen ebenfalls geändert und viele Angler setzen selbstmotiviert größere Fische zurück und behalten vor allem die mittelgroßen.