Ihr großes Büro mit dem spektakulären Blick auf die gewaltige Wesermündung vor Bremerhaven hat Antje Boetius verlassen, wieder einmal. Jetzt geht sie durch die Halle mit dem breiten Rolltor und dem Betonboden, umgeben von riesigen Regalen voller Taue, Messgeräte und geheimnisvoller Kisten. Ein bloßer Lagerraum ist es, aber hier auf dem Gelände des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) wirkt er wie eine steingewordene Verheißung von endloser Weite, von Abenteuern auf hoher See. Gleich vor dem Tor legen die Forschungsschiffe an, und Antje Boetius strahlt. Die meiste Zeit verbringt sie als Direktorin des AWI inzwischen in ihrem Büro, aber immer wieder lässt sie sich hier in den Lagerräumen den Duft der Meeresexpeditionen um die Nase wehen.
„Die Meeresforschung hat mich schon als Kind fasziniert“, sagt die Meeresbiologin: „Ich habe bei Jules Verne über Kapitän Nemo und sein U-Boot gelesen, mit dem er wochenlang abtauchen konnte und in vielen Kilometern Tiefe eine Welt entdeckt hat, die noch niemand gesehen hatte.“ Gleich im Studium stürzte sie sich darauf, selbst die Welt unter der Wasseroberfläche zu erkunden – und auch wenn Jules Verne damals im 19. Jahrhundert für seinen Kapitän Nemo eine Fantasiewelt ersann, ist eins doch bis heute gleich geblieben: Weite Teile der Unterwasserwelt sind nicht erkundet. Antje Boetius und ihre Forscherkollegen sind es, die auf spektakulären Expeditionen häufig als erste Menschen den Boden der Meere zu Gesicht bekommen. Sie selbst war 2016 zuletzt unterwegs – und sie schrieb im Internet eine Art Logbuch, damit alle teilhaben können an den Wundern, die sich vor ihr erstreckten: