Da digitale Technologien und Medien heute so allgegenwärtig sind und darum auch so tief in die Gesellschaft und die Bildung eingreifen, kommt sogenannten Self-Checks zur Analyse der digitalen Kompetenz eine Schlüsselrolle zu. Von der Europäischen Kommission gibt es beispielsweise einen Fragebogen auf Basis des Rahmenmodells digitale Kompetenz für Lehrende (DigCompEdu). Mit der angeleiteten Selbstbeobachtung soll eine Sensibilisierung für fehlende Fertigkeiten und eine Bereitschaft, sich diese durch Weiterbildung anzueignen, geschaffen werden. Die Themen werden von einer kleinen Expertengruppe bestimmt und sind – wie am Beispiel des „Future-Skills-Framework“ – grob gehalten, sodass sie im jeweiligen pädagogischen Kontext weiter konkretisiert werden können. Zu wünschen wäre, dass eine breite Diskussion nicht erst in der Anwendungsphase stattfindet, sondern bereits während der Definition und Konzeption von Kompetenzen.
Es wäre ebenfalls wünschenswert, Self-Checks und Förderprogramme nicht nur für einzelne Lehrende vorzusehen, sondern auf ganze Institutionen auszuweiten, um so einen tieferen Einblick in die Verbreitung von Innovationen zu bekommen. Es ist nämlich keine Seltenheit, dass engagierte Personen sich in intensiven Workshops mit neuen digitalen Kompetenzen beschäftigen und motiviert sind, diese in ihrem Berufsalltag einzusetzen, doch dann durch die „heimliche Grammatik“ ausgebremst werden. Neue Konzeptionen oder Denkmodelle passen dann nicht zur Kultur und stellen eine Gefahr für das fein austarierte System an Praktiken, Regelungen, Normen und Werten dar.
Wenn es nun also darum geht, eine neue Normalität der digitalen Hochschule herzustellen, sollten auch die vielfältigen Lock-in-Effekte in den Blick genommen werden. So zum Beispiel, wenn an der FernUniversität in Hagen auch während der Corona-Krise der Betrieb im hauseigenen Logistikzentrum (fast) wie gewohnt weitergeht. Dadurch wird die Lehre weiter sichergestellt, aber auch die Abhängigkeit vom gedruckten Studienbrief gefestigt. Solange das so bleibt, kommen Innovationen nicht über dieses Leitmedium hinaus.
Damit will ich nicht sagen, dass Druckereien und Vertriebszentren unmittelbar geschlossen werden müssen, damit das mit der Digitalisierung endlich klappt, sondern dazu ermutigen, das Thema digitale Bildung systemisch zu denken. Das „alte” System der Hochschule funktioniert nach einer eigenen Logik, die mit der Digitalisierung fundamental irritiert und herausgefordert wird. Hier einen Ausgleich zu schaffen und eine produktive Balance herzustellen, ist eine lohnenswerte Aufgabe.