Future Skills

„Wir stellen keine Abschlüsse ein, sondern Persönlichkeiten“

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Welche Kompetenzen müssen die Bewerber von heute mitbringen? (Foto: istock/gpointstudio)
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Herr Anz, wenn sich heute jemand bei Ihnen bewirbt – was muss er haben, damit Sie ihn einstellen?
Das kommt natürlich darauf an, für welchen Bereich wir jemanden suchen. Grundsätzlich sind die fachlichen Kompetenzen selbstverständlich wichtig, sie müssen zu den Anforderungen passen. Aber gute Noten und Zertifikate in dem Fachgebiet reichen bei Weitem nicht aus. Überfachliche Kompetenzen sind ebenso entscheidend. Die heutige Zeit stellt ganz neue Anforderungen an die Absolventen.

Welche überfachlichen Kompetenzen meinen Sie konkret?
Die Gegenwart ist geprägt von Veränderung. Daher ist der Umgang mit Volatilität enorm wichtig, mit starken Schwankungen also. Waren die Planungshorizonte früher noch länger, muss man heute deutlich schneller agieren. Das setzt eine gewisse Flexibilität und Anpassungsfähigkeit voraus, ebenso sind Teamfähigkeit und Internationalität wichtig. 

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Christoph Anz (Foto: Rainer Häckl/BMW)
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Christoph Anz verantwortet bei BMW die Bildungspolitik des Gesamtkonzerns.

Grundsätzlich gilt: Wir stellen heute keinen Maschinenbauingenieur mehr ein, damit der 40 Jahre lang Fahrzeuge einer Baureihe entwirft. Wir brauchen vielmehr Mitarbeiter, die Veränderungen früh erkennen, sie begrüßen und aktiv gestalten. Das alles muss mit dem Charakter, dem fachlichen Wissen und der inneren Einstellung zusammenspielen. Ich sage immer: Wir stellen keine Abschlüsse ein, sondern Persönlichkeiten.

„Wir stellen heute keinen Maschinenbauingenieur mehr ein, damit der 40 Jahre lang Fahrzeuge einer Baureihe entwirft. Wir brauchen vielmehr Mitarbeiter, die Veränderungen früh erkennen, sie begrüßen und aktiv gestalten.“

Christoph Anz

Wer bereitet die Bewerber denn auf die überfachlichen Anforderungen vor? Übernehmen das auch die Hochschulen?
Die Hochschulen sollten dabei in jedem Fall eine tragende Rolle spielen. Sie sollten ihre Studierenden darauf vorbereiten, dass sie später nicht wie bei der Promotion drei Jahre Zeit haben, sondern schnell Entscheidungen treffen und dazu stehen müssen. Um das zu vermitteln, begrüßen wir die zunehmende Verzahnung von Universität und Wirtschaft, von der beide Seiten profitieren. Praktikanten und Werkstudenten lernen unser Unternehmen und die Dynamiken noch während des Studiums kennen, und diejenigen, die bei uns Studienarbeiten erstellen oder promovieren, vereinen in ihren Arbeiten die Anforderungen von Wissenschaft und Wirtschaft.

Das klingt alles sehr praktisch orientiert. Was ist mit dem Bildungsaspekt, sollte man an der Universität nicht vor allem das selbstständige Denken und Hinterfragen lernen und eher breit ausgerichtet sein?
Da stimme ich voll und ganz zu, auch das sollte man an einer Universität unbedingt lernen, aber das eine schließt das andere ja nicht aus. Die von mir angesprochenen überfachlichen Kompetenzen gehen ebenso mit Bildung und selbstständigem Denken einher. Auch die Tendenz, dass viele Unis ihre Studierenden dazu anhalten, in kleinen Teams zusammen etwas zu entwickeln und gemeinsam das Ergebnis zu präsentieren, begrüßen wir ausdrücklich. Ebenso Angebote der Unis wie das Studium generale, das den Horizont der Studenten öffnet. Der Kontakt zu den Unternehmen steht dem nicht im Weg, sondern erweitert die Perspektive nur noch mehr, wiederum für beide Seiten: Auch wir lernen ständig von den Hochschulen.

Die Hochschulen haben sich in den vergangenen Jahren ja besonders durch die Bologna-Reform grundlegend verändert. Vor allem das Konzept des Bachelors mit in der Regel nur sechs Semestern ist bis heute umstritten. Wie kommen die Bachelorabsolventen bei Ihnen an?
Wir haben von Anfang an die Initiative „Bachelor welcome“ unterstützt. Und ich kann heute ohne Zögern sagen: Der Bachelor ist ein voller Erfolg, wir haben mit den eingestellten Bachelorabsolventen nur positive Erfahrungen gemacht.

Inwiefern waren Sie denn so zufrieden mit den Bachelorstudierenden? Sie haben schließlich weniger Fachwissen als ein Master- oder Diplomabsolvent. Ist der Vorteil der Bachelorstudierenden, dass sie jünger sind?
Das Alter spielt eher eine untergeordnete Rolle. Bachelor heißt ja nicht, dass die Studenten durch ihr Studium durchhetzen müssen. Im Gegenteil. Man muss den Bachelor als Student schon selbst gestalten. In vielen Fällen ist uns ein Absolvent lieber, der ein Semester länger gebraucht hat, weil er in der Zeit zum Beispiel Praktika oder eine längere Projektarbeit gemacht hat. Was die Bachelorabsolventen für uns so attraktiv macht, ist die Tatsache, dass sie eine Lücke schließen: Es gibt bei uns – und wohl in jedem anderen größeren Unternehmen auch – zahlreiche Positionen, für die ein Bewerber mit einer Berufsausbildung unterqualifiziert und ein Bewerber mit einem Master oder gar einer Promotion überqualifiziert ist. Ein Bachelorabsolvent hingegen passt ideal in solche Positionen. Von hier aus kann er sich dann weiterentwickeln.

„Wir sind kein Arbeitgeber, der eine Hire-and-fire-Mentalität hat, in Fortbildungen bereiten wir die Ingenieure auf neue Herausforderungen vor. Damit wachsen sie im und mit dem Unternehmen.“

Christoph Anz

Stichwort Weiterentwickeln: Welche Rolle spielt die Fortbildung heute?
Sie ist wichtiger denn je, zum Beispiel auch wegen der angesprochenen ständigen Veränderungen. Wir haben einerseits unsere eigenen akademischen Programme für Bachelor- und Masterstudenten und für Doktoranden, um ausreichend Nachwuchskräfte zu gewinnen. Andererseits ist das Schlagwort lebenslanges Lernen aktueller denn je. Es ist zum Beispiel jetzt schon absehbar, dass wir in ein paar Jahren im Bereich Benzin- und Dieselfahrzeuge weniger Ingenieure brauchen werden und diese dann beispielsweise in dem Feld Elektromobilität einsetzen müssen. Wir sind kein Arbeitgeber, der eine Hire-and-fire-Mentalität hat, in Fortbildungen bereiten wir die Ingenieure auf neue Herausforderungen vor. Damit wachsen sie im und mit dem Unternehmen.

Machen das die Mitarbeiter denn mit?
Wir bieten ihnen alle Möglichkeiten, sich zu entwickeln und sich auf die aktuellen Veränderungen einzustellen. Natürlich beruht das auf Gegenseitigkeit, wir erwarten auch die entsprechende Motivation. 

Das gilt sicher auch für die Digitalisierung, die ja fast überall an Bedeutung gewinnt.
Tatsächlich spielt die Digitalisierung in praktisch allen Unternehmensbereichen eine herausragende Rolle. Egal, ob Sie die Veränderungen in der Produktion – Stichwort Industrie 4.0 –, in unseren immer stärker vernetzten Produkten – Stichwort autonomes Fahren – oder ganz neue Geschäftsmodelle nehmen, all diese Veränderungen werden durch die Digitalisierung überhaupt erst möglich gemacht und mit wachsender Geschwindigkeit vorangetrieben. Damit wird ein weiteres Mal deutlich, wie wichtig es ist, den Mitarbeitern die erforderlichen Weiterbildungsangebote an die Hand zu geben, um sich selbst mit diesen Techniken vertraut zu machen und damit gleichzeitig zur eigenen beruflichen Entwicklung und zur erfolgreichen Weiterentwicklung des Unternehmens beizutragen.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung bei den Fortbildungen?
Digitalisierung ist eine wichtige Erweiterung für die Weiterbildung unserer Mitarbeiter geworden. Unsere interne Trainingsakademie hat eine wachsende Zahl von Onlinetrainings. Mit Onlinetrainings kann man schnell eine große Zahl von Mitarbeitern erreichen. 

Junge Frau arbeitet auf dem Tablet
Foto: iStock/ Wavebreakmedia
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Digitalisierung spielt in allen Unternehmensbereichen eine Rolle – insbesondere bei der Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter.

In manchen Bereichen, wie dem Training von Führungskräften, sind Onlinetrainings unzureichend; hier braucht es Face-to-Face-Begegnungen, kommt es doch auf den persönlichen Austausch an und auf Feedback hinsichtlich der Wirkung der eigenen Person. Unsere Philosophie im Bereich Fortbildung lässt sich sicher auch auf viele andere Bereiche übertragen, die den raschen Veränderungen von heute ausgesetzt sind: Wir nehmen das Beste aus den neuen Möglichkeiten, ohne das Bewährte gedankenlos fallen zu lassen.

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