Digitales Tagebuch des Dr. D.: Dritter Eintrag, März 2018
In der aktuellen Ausgabe der Philosophiezeitschrift Hohe Luft (Ausgabe 2/2018) bin ich auf das Titelthema „Humanismus“ gestoßen und lese, dass angesichts von Globalisierung, Kapitalismus, Massenmigration, Digitalisierung, Terrorismus und Trumpismus ein „humanistisches Manifest“ proklamiert wird. In Anbetracht der Unterschiedlichkeit der Begriffe und der Tatsache, dass Digitalisierung einmal nicht als „Megathema“ vorangestellt wird, bin ich auf die Ausgestaltung des Manifests gespannt. Dies auch, weil ich mich selbst seit einigen Jahren als Bildungsforscher mit humanistischen Fragen beschäftige und dabei nach einer neuen, zeitgemäßen Grundlegung suche. Mein Artikel „Humboldt überwinden! Warum digitale Bildung nicht aus der Vergangenheit gedacht werden kann“ ist Ausdruck dieser Suchbewegung. Mitunter ist es mir dann aber doch passiert, dass ich als Traditionalist bezeichnet wurde, der verzweifelt versucht, bildungsphilosophischen Ballast in die Digitalisierung hinüberzuretten. Hier lässt sich erkennen, wie geschichtsblind der Technikdiskurs ist und wie versessen darauf, möglichst alle Traditionen zugunsten (disruptiver) Innovationen zu zerschlagen. Aber ich schweife ab, zurück zum eigentlichen Thema, dem humanistischen Manifest.
Dort wird Humanismus als Realismus propagiert und der darum die Welt, wie sie ist, zur Kenntnis nimmt, gleichzeitig aber versucht, diese Stück für Stück zu verändern, ausgehend von einer „gemeinsamen Idee“. Was diese Idee mit der Digitalisierung zu tun hat (das wäre für mich naheliegend und auch nur dann wäre das Manifest ein ernst zu nehmender Debattenbeitrag), zeigt sich in These sechs: „Menschen sind keine Gadgets.“ Damit spricht man sich gegen einen „digitalen Reduktionismus“ aus, der den Menschen und seine Gedanken und Handlungen ständig algorithmisch vermessen und für wirtschaftliche Zwecke auswerten will. Das will ich auch nicht, gerade weil sich die Algorithmen notorisch einer öffentlichen Kontrolle entziehen und immer tiefer in unser Leben eindringen, wie aktuell in dem Buch „Angriff der Algorithmen" aufgezeigt wird. Das Manifest schlussfolgert, dass Software menschlicher gestaltet werden sollte und dass sich die Algorithmen menschlichen Lebensformen anpassen müssten und nicht umgekehrt.