Als sie durch seine Straße marschieren, beobachtet Athaydes Leite sie vom Fenster seiner Wohnung im zweiten Stock aus, verborgen hinter einem Vorhang. Auch das Licht hat der 26-jährige Brasilianer zur Sicherheit ausgemacht. Manche der Legida-Demonstranten tragen Fackeln, ihre Sprechchöre erfüllen die Leipziger Nacht, die Stimmung ist aufgeheizt an diesem Montagabend im Jahr 2015. Athaydes Leite ist mulmig zumute. Seit sechs Jahren lebt der Ingenieur in Deutschland, seit vier Jahren forscht er am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig im Bereich Biogas. Diskriminierung und Vorurteile hat er zwar manchmal erfahren, aber meist nur im Verborgenen und indirekt. So etwas wie jetzt jedoch hat er noch nicht erlebt.
In Ostdeutschland scheint in der jüngsten Vergangenheit die Stimmung gegenüber Ausländern vielerorts zu kippen. Den Anfang machten die montäglichen Demonstrationen von Pegida und ihren Ablegern, die Ende 2014 begannen und spätestens 2015 auch international bekannt wurden. Die Flüchtlingskrise hat die Situation weiter verschärft. Busse mit Flüchtlingen werden blockiert, die Zahl der Anschläge auf Flüchtlingsheime ist im Jahr 2015 in Deutschland auf 924 geschnellt, ein Großteil davon wurde in Ostdeutschland verübt. Drei Jahre zuvor waren es noch 23 Anschläge. Am 13. März 2016 kam die fremdenfeindliche Stimmung schließlich auch in einem der Landesparlamente an. Bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt wurde die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) auf Anhieb zweitstärkste Kraft, jeder vierte Wähler gab ihr seine Stimme.