Was bedeutet das denn: Bedeutungsumverteilung?
Bis zu einem bestimmten Maß an Komplexität waren die jungen Leute gut ausgerüstet, wenn sie Analyse-Tools, Werkzeuge, Theorien kannten. Das war weitgehend ein Wirken im Außen. Was wir heute aber feststellen – nicht nur in Hochschulen, sondern auch in Unternehmen: Dieser nächste Schritt an Komplexitätsbewältigung braucht den Blick nach innen. Das heißt: Ich muss mich als Mensch sehr viel besser kennen, um mit dieser Komplexität da draußen umzugehen, das heißt: Jetzt aber müssten wir an die Person herangehen. Aber: Dürfen wir das? Und wie macht man das überhaupt?
Und? Wie macht man das?
Indem die Lehrenden als Menschen auftreten – und nicht nur als Wissensträger, als Vorlesende. Wenn man ernst nimmt, dass es neue, andere Skills und Kompetenzen braucht, dann muss man Studierenden die Gelegenheit geben, sich in bestimmten Situationen auszuprobieren. So lese ich mir nicht nur etwas an, sondern erfahre etwas.
Sie nutzen dazu das Instrument der systemischen Aufstellungen, das man eigentlich aus der Familientherapie kennt. Was hat es damit auf sich?
Aufstellungen, bei denen Personen stellvertretend Probleme oder Konflikte repräsentieren, geben mir die Möglichkeit, mir sehr viel komplexere, systemische Bilder von der Realität zuzulegen: Bei denen ich nicht davon ausgehe, dass ich die Möglichkeit habe, direkt in irgendwas zu intervenieren oder eine Wirkung hervorzurufen. Intuition spielt bei diesem Ansatz zur Komplexitätsbewältigung eine wichtige Rolle. Sie hilft, die Frage nach dem Wozu zu beantworten: Die Frage nach dem Sinn des Ganzen, die sich zunehmend stellt. In die Wirtschaftssysteme ist nur Fülle und Marktbefriedigung eingebaut, aber nicht Sinn. Und da ein „Weiter wie bisher“ nicht mehr funktioniert, müssen wir fragen: Was ist denn sinnvoll? Und auf dieser Basis neue Entscheidungen treffen.
Wie kommt das bei Ihren Studierenden an? BWL gilt bei vielen als ein Fach, das Themen wie Nachhaltigkeit, transformative Skills oder neuen Methoden keine hohe Priorität einräumt.
Nach meinen Beobachtungen kann man heute gar nicht mehr so genau sagen: Das ist ein typischer BWLer und der steht für dieses und jenes. Ich habe vielmehr den Eindruck, dass überall junge Menschen aufwachen und neue Fragen, andere Fragen stellen, unabhängig vom Fach – und die Hochschule auch deutlich in Richtung Nachhaltigkeit schieben können.