Fraunhofer-Präsident Reimund Neugebauer hat den IBM-Quantencomputer einmal als eine Art „Hightech-Fahrschule" bezeichnet. Wenn ich das richtig verstanden habe, haben Unternehmen die Phase des bloßen Herantastens an die Quantentechnologie aber bereits verlassen?
Tutschku: Ich brauche diese High-Tech-Fahrschule, weil ich – um im Bild zu bleiben – sehr schnell einen Sportwagen alleine werde fahren müssen. Wir müssen lernen, wie man mit Fehlern umgeht – die ein Quantencomputer immer haben wird. Anfangs mag man noch mit Simulationen und Fehlermodellen arbeiten können – und kann diese Simulationen noch mit klassischem Computing überprüfen. Algorithmen, die allerdings mehr als 70 Qubits haben, können wir selbst mit leistungsfähigsten High-Perfomance-Computern nicht mehr simulieren. Zum Vergleich, der IBM Q System One in Ehningen liegt heute schon bei 27 Qubits, das leistungsfähigste IBM-System schon bei 127. Wir versuchen, Probleme in unserer „Fahrschule“ so herunterzubrechen, dass Kunden später Werkzeuge haben, um in komplexen, konkreten Anwendungsfällen selbstständig damit umgehen zu können. Wir machen die Unternehmen durch unterschiedliche Schulungsprogramme quantum ready ...
Die Quantentechnologie entwickelt sich derzeit nicht isoliert, sondern in Netzwerken. Experten sprechen von einem „Ökosystem“ an Fachkräften, das für eine funktionierende Infrastruktur in diesem Bereich nötig ist.
Tutschku: Es ist wichtig, Anstrengungen in der Aus- und Weiterbildung für diese Technologie zu bündeln, damit wir uns nicht im föderalistischen Klein-Klein verlieren. Nur gemeinsam und offen können wir die Gewinnung von Nachwuchs für die Quantentechnologie schnell vorantreiben. Wir haben die Verpflichtung, unser erarbeitetes Wissen zu teilen, um einen möglichst effizienten Know-how-Transfer in die Unternehmen beziehungsweise in die Schulen zu gewährleisten. Ein Quantencomputing-Fellowship, mit dem schon Lehrerinnen und Lehrer zu Multiplikatoren für diese Technologie weitergebildet werden, ist beispielsweise ein Anfang. Solche Programme, wie sie der Stifterverband zusammen mit IBM gerade entwickelt , sind wichtig, um den Wissenstransfer zu fördern. Auch die Fraunhofer-Gesellschaft bietet mehrere Aus- und Weiterbildungsprogramme an.
Pillen: Wir haben beispielsweise ein Programm initiiert, um Quantentechnlogie in die Schulen zu treiben. Wir überlegen gerade gemeinsam mit dem Stifterverband: Wie kann man eine QuantenAkademie aufbauen, die Oberstufenschülern die Grundlagen der Quantentechnologie vermittelt? Darüber hinaus arbeiten wir an sogenannten Curriculumlabs, mit denen angehenden Physik-, Informatik- und Mathematiklehrer qualifiziert werden können. Auf dem KI-Campus bieten wir allen Interessierten bereits einführende Online-Kurse zum Thema Quantum Machine Learning an. Es ist wichtig, jemanden wie den Stifterverband zu haben, der die Aufgabe erfüllt, Brücken zu bauen zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung und Lehre.