Sein Fachgebiet, die Paläoanthropologie, sieht Friedemann Schrenk als eine politische Disziplin. „Mein Hauptinteresse“, sagt er und beugt sich vor auf dem schwarzen Hocker im Vitrinensaal, „ist die Erfindung des Rassismus.“ Es ärgere ihn, dass immer noch die Meinung vertreten werde, Afrika habe keine Geschichte. „Das fing mit Hegel an, der es so eindeutig formulierte, und zieht sich bis heute hin.“ Dabei sei die Wiege der Menschheit in Afrika zu verorten, heute weiß man das. Das war aber nicht immer so: Als 1891 die ersten versteinerten Reste von Menschen in Südostasien gefunden wurden, brach für die damaligen Forscher ein Weltbild zusammen: Sollte die Menschheit etwa nicht in Europa entstanden sein?
Ohnehin gehe es in der Paläoanthropologie viel um Interpretation, sagt Friedemann Schrenk – anders gehe das schließlich auch gar nicht, wenn man außer einigen Knochenresten keinerlei Anhaltspunkte habe. Und die Interpretationen seien naturgemäß stark gefärbt von der Zeitgeschichte. Schrenk erinnert sich an seine Studienzeit, in der die Zuspitzung des Kalten Kriegs noch in frischer Erinnerung war. „Damals gab es die Hypothese, dass sich die Vormenschen gegenseitig die Schädel eingeschlagen haben“, sagt er. Im Studium ist er erstmals nach Südafrika gefahren, um sich das vor Ort anzuschauen. Ein erfahrener Kollege reichte ihm einen Antilopenknochen, der vorn glatt geschliffen war wie eine Waffe. „Das war für ihn der Beweis für die Aggressionshypothese – dabei stellte sich später heraus, dass die glatt geschliffene Oberfläche durch die neuzeitlichen Besucher zustande kam, die sich den Knochen von Hand zu Hand gereicht haben.“