Die Vernetzung der Wissenschaftler soll künftig noch enger werden – in einem eigenen wissenschaftlichen Zentrum, das für Güntürkün die Erfüllung eines akademischen Lebenstraums ist. Er dreht sich an seinem Besprechungstisch um und zeigt auf das Modell eines imposanten Gebäudes, das er neben seinem Arbeitsplatz aufgebaut hat. „Think“ wird einmal in großen Lettern auf der Fassade stehen, wenn das Gebäude in einigen Jahren fertig sein wird – eine Abkürzung für „Zentrum für Theoretische und Integrative Neuro- und Kognitionswissenschaft“. „Wir bauen einen Ort, an dem wir auf eine vollkommen neue Art und Weise experimentieren können“, sagt Onur Güntürkün, dem mit diesem Gebäude ein Coup gelungen ist: Vor ihm hat es noch kein Psychologe in Deutschland geschafft, die Gelder für ein ähnliches Wissenschaftszentrum zusammenzubekommen. Auf 4.000 Quadratmetern sollen mehr als 100 Forscher zusammenarbeiten, die von der Zellbiologie über die Hightech-Bildgebung bis hin zur Philosophie des Geistes alle Disziplinen abdecken, die das menschliche Gehirn zum Gegenstand haben. Mit diesem Ansatz soll „Think“ einzigartig werden unter den Hirnforschungszentren; es könnte ein „vollkommen neues Arbeiten“ entstehen, wie es Güntürkün nennt.
Eins hat ihm sehr geholfen auf dem Weg vom hintersten Winkel der Unibibliothek zum eigenen Forschungszentrum, daran lässt Onur Güntürkün keinen Zweifel: seine Gabe zur Kommunikation. In öffentlichen Vorträgen erzählt er regelmäßig über die Gehirnforschung, er gibt Interviews und begeistert in seinen Seminaren immer neuen wissenschaftlichen Nachwuchs für dieses Gebiet, das zu den komplexesten Feldern in der Forschung gehört. „Ich hatte vorhin erst eine Vorlesung gegeben vor neuen Bachelorstudenten, morgen sind die Masterstudenten dran. Ungefähr eine Stunde erzähle ich dort, was ich mache, warum ich es mache und wie das Fach aussieht, das ich vertrete“, sagt Güntürkün. Ein paar Minuten vor der Vorlesung rollt er mit seinem Rollstuhl, auf den er seit seiner Kindheit angewiesen ist, zu den Aufzügen ganz oben im Hochhaus. In den paar Minuten, während er auf die Kabine wartet, die ihn hinunterbringt in den Hörsaal, legt er sich seine Gedanken noch mal zurecht, dann fährt er auf die Bühne und strahlt vom ersten Augenblick an den Enthusiasmus aus, den er für seine Forschung auch nach einigen Jahrzehnten noch verspürt: „Das sind die Momente, die ich wirklich sehr genieße!“