Aber unabhängig bleiben bedeutet auch, der Versuchung der Macht zu widerstehen. Wenn alle Welt auf die Wissenschaft hört, dann kann das für manch einen verführerisch sein: So nutzen einzelne Wissenschaftler das Ansehen der Wissenschaft, um zu provozieren, bekannt zu werden, gezielt eine Richtung vorzugeben – um Einfluss zu nehmen.
Das können solche Wissenschaftler sein, die Verschwörungstheorien neue Nahrung geben, aber auch solche, die bei der Politikberatung ihre eigenen Meinungen und Forschungsergebnisse nicht mit strengen wissenschaftlichen Kriterien hinterfragen. Oft steckt aber nicht einmal ein bestimmter Manipulationswille dahinter, sondern einfach der Druck der Öffentlichkeit: „Wir sehen durchaus Beispiele von Wissenschaftlern, die sich in Ad-hoc-Situationen zu Statements auf Gebieten hinreißen lassen, auf denen sie eigentlich kein Experte sind“, sagt Bettina Böhm.
Alle diese Fälle können zum Problem für die ganze Wissenschaft werden und sind es ein Stück weit auch schon geworden: Denn die große Stärke der Wissenschaft – ihre Objektivität und Allgemeingültigkeit, die sich vom Gewusel der Meinungen abhebt – wird unterminiert, was wiederum zu einem Verlust von Vertrauen und Akzeptanz führt.
Deshalb gehört nach Meinung von Andrea Frank zur Verantwortung der Wissenschaft auch die Fähigkeit, Komplexität zu erklären: „Die Menschen fordern von der Wissenschaft oft einfache Antworten. Wenn es diese Antworten aber nicht gibt, dann sollte die Wissenschaft die Komplexität deutlich machen und Erkenntnisse in den gesellschaftlichen Diskurs einordnen.“ Aber die Wissenschaft hat Grenzen – sie trifft nicht die politischen Entscheidungen, sie trägt bei zu den Entscheidungsgrundlagen. Diese unterschiedlichen Rollen von Politik und Wissenschaft sind im vergangenen Jahr immer wieder vermischt worden.