Da haben wir ihn also mal wieder, den digitalen Bildungssalat. Eine internationale Vergleichsstudie attestiert dem analogen deutschen Schulsystem erhebliche Mängel bei der Vermittlung von digitaler Medienkompetenz („Gemeint sind Fähigkeiten, die es erlauben, ‚Computer und neue Technologien zum Recherchieren, Gestalten und Kommunizieren von Informationen zu nutzen und diese zu bewerten, um am Leben im häuslichen Umfeld, in der Schule, am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft erfolgreich teilzuhaben‘“), während zeitgleich in Deutschland der Hassmob auf Facebook tobt und eine Falschmeldung nach der anderen hoch erregt in den sozialen Netzwerken zirkuliert.
Die im Anschluss angestoßene Ursachenforschung der Studiendesigner wirft sogleich zwei mögliche Erklärungen für den digitalen Bildungsmangel in den Raum: „ungenügende Ausstattung der Schulen“ und „Ängste der Lehrer, Schüler würden von den eigentlichen Lerninhalten abgelenkt“. Das ist auf den zweiten Blick ein recht interessanter und sich selbst verstärkender Problemkreislauf. Denn je mehr Gerätschaften angeschafft werden, desto größer dürfte die Angst der Lehrer vor der Ablenkung der Schüler werden. Auch der formulierte Vorschlag zur Einführung eines Pflichtfaches Informatik - dessen Begrifflichkeit ähnlich attraktiv und aus der Zeit gefallen wirkt wie „EDV“ - wirkt auf mich im Kontext der oben beschriebenen Fähigkeiten etwas befremdlich. So ein Pflichtfach Informatik klingt ja nicht nur unfassbar unsexy, sondern es vermittelt zudem ein leicht verzerrtes, extrem technologisiertes Bild von digitaler Kompetenz. Der Begriff Informatik steht ausschließlich für die Verschmelzung von „Information“ und „Automation“, also liegt hier eine rein technische Fertigkeit vor, die mit Medienreflexion erst mal so viel gemeinsam hat wie Gentechnik mit Robotik. Mir ist der Begriff Informatik jedenfalls nur im Zusammenhang mit der Programmierung von Maschinen geläufig. Dabei basiert Medienkompetenz ja viel eher auf der Benutzung des eigenen, viel komplexeren kognitiven Apparates, nämlich unseres Gehirns.
Um das Ganze mal etwas zu verdeutlichen, entwerfe ich beispielhaft drei mögliche Inhaltsfelder zur digitalen Medienkompetenz an Schulen, die ich nicht nur als äußerst relevant im Hinblick auf die formulierten Ziele betrachte, sondern die auch problemlos ohne Geräte mit Breitbandinternetanschluss und ohne umfassende technische Kenntnisse realisierbar sind. Die fehlende Technikkompetenz ist nicht das tatsächliche Problem, denn die immer weiter vereinfachte Technologie benutzen Schüler längst intuitiv, sondern die Art und Weise, wie Menschen mit dieser Technik umgehen und wie Technik auf den Menschen wirkt. Die folgenden Punkte basieren weitestgehend auf den Thesen eines US-amerikanischen Wissenschaftlers, der seit vielen Jahrzehnten zu diesem Thema forscht, publiziert und lehrt. Sein Name ist Howard Rheingold und sein lesenswertes Standardwerk rund um die Versiertheit im Umgang mit digital vernetzten Medien nennt sich „Net Smart“.