Zu Beginn des 20. Jahrhunderts schufteten in Kontinentaleuropas größter Baumwollspinnerei im Leipziger Westen mehr als 1.600 Arbeiter, um aus Baumwolle Garne herzustellen. Doch die Spinnerei war mehr als nur ein Fabrikstandort, sie galt auch als ein Ort der Moderne. Es gab beispielsweise eine Schule, eine Kantine, eine Badeanstalt, einen Park mit Turnhalle und einen Kindergarten. Garne werden auf dem Gelände im Stadtteil Lindenau seit 1993 nicht mehr produziert, doch die wuchtigen Fabrikhallen stehen immer noch – und sie sind mit ihrem Mix aus Künstlern, Designern und Jungunternehmern, die die alten Hallen in Beschlag genommen haben, immer noch etwas Außergewöhnliches.
In Halle 14, der damaligen dritten Spinnerei, sind auf dem Fußboden noch die Abdrücke der Kämmmaschinen zu sehen. Die Maschinen sind längst weg, dafür stehen an diesem Apriltag nach Ostern eine Tischtennisplatte, eine Telefonzelle und mehrere große braune Tische in der von Sonne durchfluteten und von Stahlstreben durchzogenen Halle. Sechs Start-ups haben in diesem Hallenteil ihr Office bezogen, auch Alexandra Baum hat hier Räumlichkeiten. Baum, groß gewachsen, lange braune Haare, Thüringer Dialekt, ist Geschäftsführerin der Texlock GmbH – ein junges Start-up, das ein stylisches und sicheres Fahrradschloss aus Textilfasern entwickelt hat. „Diese Stimmung in den offenen Räumen der Spinnerei erzeugt tolle Gedanken. Wenn ich hier arbeite, habe ich oft das Gefühl, dass Dinge funktionieren und neue Ideen kommen“, sagt Baum, eine der beiden Firmengründerinnen von Texlock.