Diese Neuigkeit sorgte für Aufsehen: In Nürnberg will der Freistaat Bayern 1,2 Milliarden Euro in die Gründung und den Aufbau einer neuen staatlichen technischen Universität investieren. In fünf natur- und ingenieurwissenschaftlichen sowie einem geistes- und sozialwissenschaftlichen Department sollen ab 2025 künftige Forscher und Fachkräfte interdisziplinär ausgebildet werden. Ein Interview mit Wolfgang Herrmann, Leiter der 16-köpfigen Strukturkommission der neuen TU und Präsident der Technischen Universität München.
Herr Professor Herrmann, in der Region Nürnberg-Erlangen gibt es eine große Universität mit technischer Fakultät, zudem eine renommierte Fachhochschule, ebenfalls mit technischen Fächern. Wozu also eine neue technische Universität?
Was die Strukturkommission mit der Technischen Universität Nürnberg plant, geht weit über das hinaus, was schon existierende technische Hochschulen in der Region anbieten: nämlich einen konsequenten interdisziplinären Ansatz – nicht nur in Bezug auf verschiedene technisch-naturwissenschaftliche Disziplinen, sondern vor allem auch in Bezug auf die Geisteswissenschaften. Die werden von Studienbeginn bis zum Studienabschluss, im Bachelor wie im Master, eine wichtige Rolle im Curriculum jedes angehenden Ingenieurs einnehmen.
Was heißt das konkret im Studienalltag?
In den ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen werden bis zu 25 Prozent der Studieninhalte aus den Geistes- und Sozialwissenschaften bestritten. Wir wollen Ingenieure ausbilden, die nicht nur konstruieren können, sondern auch über das, was sie entwickeln, reflektieren – im Sinne von Nachhaltigkeit und Verantwortung für die Gesellschaft. Die Studierenden sollen immer den Rückbezug auf die gesellschaftlichen Fragestellungen vor Augen haben: Warum konstruiere ich bestimmte Maschinen oder entwickle künstliche Intelligenz oder Elektromobilität, was folgt daraus und welche Verantwortung übernehme ich als Ingenieur?
Ist das ein so neuer Ansatz?
Diese Verschränkung – wie übrigens auch zwischen Naturwissenschaften und Ingenieurwissenschaften und auch zwischen verschiedenen ingenieurwissenschaftlichen Fächern – findet meiner Wahrnehmung nach in Deutschland noch viel zu wenig oder gar nicht statt. Jedenfalls hat bislang kein natur- oder ingenieurwissenschaftlicher Studiengang diese Prägung.
Gibt es Vorbilder?
Gute Beispiele finden Sie in den USA – in Stanford oder am MIT Massachusetts Institute of Technology. Dort sind bis zu 30 Prozent der Lehrinhalte in technischen Studiengängen aus den Humanwissenschaften. In Deutschland dagegen wollen die meisten Ingenieure mit solchen Inhalten wenig zu tun haben. Die TU Nürnberg sehe ich daher als große Chance, das zu ändern – und zwar methodisch fundiert.