Bildungssystem

Promotion und Politik

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Immer wieder glaubt die Politik, Einfluss nehmen zu müssen auf die Wissenschaft und insbesondere auf die Art und Weise, wie Promotionen an Universitäten ablaufen sollen. Das ist erstaunlich: Diverse Plagiatsfälle der vergangenen Jahre zeigen doch eindeutig, dass es viele Politiker gerade nicht so genau mit den Regeln der Wissenschaft nehmen. Dies können wir auch jetzt wieder am neuesten Fall der Dissertation von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ablesen. Obwohl der Fall noch nicht entschieden ist, kann man bereits jetzt sagen, dass auch hier zumindest kein wissenschaftliches Glanzstück von der Kandidatin produziert wurde.

Der jüngste Versuch vonseiten der Politik, Einfluss auf Promotionen auszuüben, geschieht gerade in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Dort sollen „Promotionskollegs“ installiert werden, in denen dann munter drauflospromoviert werden kann, egal von welcher Institution man kommt. Damit kann man nun endlich diese lästigen Prüfungen durch Fakultäten, die an Universitäten durchgeführt werden, umgehen und sich möglicherweise den ersehnten Titel sogar direkt selbst verleihen.

Politiker in Nordrhein-Westfalen hatten ursprünglich sogar vor, ihre Promotionen noch einfacher zu schützen. Sie hatten dafür ein neues Hochschulgesetz verfasst, das sie in Zukunft dazu befähigen sollte, Fakultäten an Universitäten das Promotionsrecht zu entziehen. Da lag ein Verdacht sofort auf der Hand: Wenn das neue Gesetz in Kraft tritt, wäre endlich Schluss mit diesen lästigen Prüfungen und Aberkennungen von Titeln! Oder glaubt jemand allen Ernstes, dass dann noch einem Politiker der Titel wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens entzogen werden kann, wenn im Gegenzug das Ministerium mit dem Entzug des Promotionsrechts für die ganze Fakultät zurückschlagen kann?

Zu den Fakten: Die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hatte mit einem Referentenentwurf eines neuen „Hochschulzukunftsgesetzes“ für sehr viel Wirbel und Protest gesorgt. Damit sollte im Wesentlichen die von der Vorgängerregierung unter dem FDP-Minister Andreas Pinkwart gewährte Hochschulfreiheit in entscheidenden Teilen wieder zurückgenommen werden, obwohl alle Studien und Statistiken zeigen, dass die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen gerade in den letzten Jahren einen großen Aufschwung erfahren haben. So wurde der doppelte Abiturjahrgang mit Bravour gemeistert. Noch nie haben so viele junge Menschen an den Hochschulen an Rhein und Ruhr studiert. Auch im Bereich der Forschung wurden nie zuvor so herausragende Leistungen erzielt. Die Universitäten in Aachen und Köln wurden „Exzellenzuniversitäten“. Die Wahrnehmung so gut wie aller Universitäten und Fachhochschulen im Land ist deutlich gestiegen, was sich auch in einem drastischen Anstieg der im bundesweiten Wettbewerb vergebenen Drittmittel widerspiegelt. Warum also sollte man diese Erfolgsgeschichte der Universitäten in Nordrhein-Westfalen nun mit einem ganz neuen Gesetz stoppen wollen?

„Eine Fakultät, die die Überprüfung der Dissertation eines Politikers einleitet, hätte ständig damit rechnen müssen, dass ihr das Promotionsrecht vollständig vonseiten der Politik entzogen wird. Welche Fakultät würde sich einer solchen Gefahr in Zukunft freiwillig aussetzen?“

Metin Tolan

Fündig wurde man in Paragraf 67 Absatz 8 des ursprünglichen Referentenentwurfs. Demnach sollte in Zukunft das Ministerium in Nordrhein-Westfalen „zur Sicherung der Qualität des Promotionsgeschehens […] einem Fachbereich die Berechtigung zur Durchführung des Promotionsstudiums ganz oder teilweise entziehen oder die Durchführung von der Umsetzung von Auflagen abhängig machen“. Bis dahin hatte immer eine jede Fakultät an einer Universität die alleinige und unumstrittene Hoheit über das Promotionsrecht. Dies sollte sich nun also ändern! Hier fragt man sich natürlich sofort, warum ein Ministerium sich das antun wollte. Warum wollte sich ein Ministerium überhaupt in das „Promotionsgeschehen“ an einer Universität einmischen und sich mit diesem Schritt sogar dem Vorwurf aussetzen, nicht verfassungsgemäß zu handeln? Was ist überhaupt ein „Promotionsgeschehen“? Dieser Begriff wird so im Zusammenhang mit Promotionen an Universitäten gar nicht verwendet und zeugt davon, dass dieser Referentenentwurf offenbar mit sehr heißer Nadel gestrickt wurde. Man spricht an Universitäten in der Regel von Promotionen und Promotionsverfahren, aber niemals von einem „Promotionsgeschehen“.

Die einzige Antwort auf die Frage nach dem Grund dieser Einmischung ist, dass man offenbar große Angst vor irgendetwas hatte. Zwar kann man über dieses „irgendetwas“ nur spekulieren, aber angesichts der vielen Plagiatsfälle in den letzten Jahren, die insbesondere die Dissertationen von Politikern betreffen, liegt der am Anfang geäußerte Verdacht sofort auf der Hand: Das neue Gesetz sollte endlich dafür sorgen, dass die politische Klasse zurückschlagen kann, und sollte Schluss machen mit diesen lästigen Prüfungen und Aberkennungen von Titeln. Eine Fakultät, die die Überprüfung der Dissertation eines Politikers einleitet, hätte ständig damit rechnen müssen, dass ihr das Promotionsrecht vollständig vonseiten der Politik entzogen wird. Welche Fakultät würde sich einer solchen Gefahr in Zukunft freiwillig aussetzen? Promovierte nordrhein-westfälische Politiker, die sich mit zweifelhaft erworbenen Titeln schmücken, wären dann endlich sicher und könnten mit einer gewissen Gelassenheit auf ihre weitaus gefährdeteren Kollegen in anderen Bundesländern herabblicken. Denn dieser Gesetzesentwurf wäre bundesweit, ja sogar weltweit, absolut einmalig gewesen.

Wissenschaftsfreiheit in Gefahr

Aber braucht man wirklich ganze 355 Seiten (so umfangreich war der Referentenentwurf), um dieses Ziel zu erreichen? Ja natürlich. Denn erstens wäre die Intention zu offensichtlich, wenn dieser Paragraf 67 allein im Gesetzestext gestanden hätte, und zweitens dienen die anderen Änderungen ja eigentlich auch dem gleichen Zweck. Die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen sollen zum Beispiel ab 2016 ihre Mittel mit Anträgen aus einem sogenannten „Liquiditätstopf“ abrufen können. Tja, da können dann schon mal weniger Mittel für Universitäten zur Verfügung stehen, die Politiker beim Mogeln erwischt haben oder solche Fälle gerade prüfen. Auch will man in Zukunft nur noch Forschung fördern, die dem Land Nordrhein-Westfalen dient. Was das bedeutet, darüber könnte man allein schon einen eigenen Artikel verfassen. Klar ist aber, dass hier direkt Promotionen betroffen sind, denn in ihnen wird der Löwenanteil der Forschungsleistung des Landes erbracht. Im landeseigenen Promotionskolleg kann man diese Forschungsrichtung natürlich viel besser kontrollieren.

Es ist auch zu fragen, ob ein Ministerium überhaupt die „Qualität des Promotionsgeschehens“ beurteilen kann, wenn es nicht einmal weiß, dass der Begriff „Promotionsgeschehen“ als universitärer Terminus gar nicht vorkommt. Wenn in Zukunft jemand beispielsweise über die inhaltliche Qualität von „Karrierepromotionen“, also Promotionen ohne erkennbaren Erkenntnisfortschritt, die lediglich die Karriere des Kandidaten befördern, eine Dissertation verfassen möchte, dann sollte jede Fakultät mit der Annahme dieser Arbeit sehr vorsichtig umgehen. Denn die Schließung droht, weil gerade Karrierepromotionen, wie es im Fall Guttenberg nur allzu deutlich geworden ist, unter Politikern besonders häufig vorkommen. Sie sind sehr oft parallel zur politischen Laufbahn entstanden, wobei dann natürlich nicht mehr ganz so viel Zeit zum sorgfältigen Arbeiten geblieben ist.

Bei den Promotionskollegs in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein geht es also gar nicht darum, beispielsweise den Fachhochschulen das Promotionsrecht einzuräumen – nein, es geht darum, der Politik eine direkte Einflussmöglichkeit auf das „Promotionsgeschehen“ zu ermöglichen. Hier ist also die Wissenschaftsfreiheit in direkter Gefahr. Dies sollte alle kritischen Geister zum Widerstand gegen diese Promotionskollegs motivieren. Die Wissenschaft braucht als Allerletztes die Politik, um die Qualität von Promotionen zu sichern!

 

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