Schulischem Fremdsprachenunterricht mutet, gerade angesichts der rasanten Entwicklung der Welt um ihn herum, unweigerlich etwas Antiquiertes an. Auch Überzeugungstätern fällt es zunehmend schwer, glaubhaft zu machen, dass es durchaus Vorteile hat, beispielsweise alle Typen von if-clauses zu kennen oder es sich lohnt, dem Phänomen des subjonctif auf den Grund zu gehen. Fragen, die dabei in dieser oder ähnlicher Form auftauchen, sind unter anderem:
- Frage 1: Wie lange wird es dauern, bis ich genauso gut (und schnell) einen Text ins Französische übersetzen kann wie DeepL?
- Frage 2: ChatGPT produziert, einen entsprechenden Frageimpuls vorausgesetzt, Antworten scheinbar mühelos in der gewünschten Sprache – warum soll ich es dann noch mühevoll üben?
- Frage 3: Ist es zeitgemäß, Fremdsprachenunterricht mit Lehrwerken zu gestalten, die offenbar noch die gleichen Übungen (Stichwort: Fill in the gap) enthalten wie seit Jahrzehnten?
Sich diesen Fragen zu stellen ist für eine Fremdsprachendidaktikerin unausweichlich, beispielsweise anlässlich der Berufung in den Beirat des Bundeswettbewerbs Fremdsprachen (siehe Kasten). Das sind meine ehrlichen Antworten:
- Antwort 1: Sehr lange. Auf jeden Fall länger als drei Jahre Unterricht in einer zweiten mit durchschnittlichem Arbeitsaufwand betriebenen Schulfremdsprache.
- Antwort 2: Um durch künstliche Intelligenz produzierte Texte beurteilen und gegebenenfalls angemessen modifizieren zu können.
- Antwort 3: Nein. Aber Schule ist ein bewahrendes System, das der es umgebenden Welt hinterherhinkt, auch in Bezug auf Lehrwerke. Das liegt in der Natur der Sache.
Noch nicht beantwortet – und wohl anders als vor 200 Jahren pragmatisch auch nicht mehr beantwortbar – ist damit die zugrunde liegende Ausgangsfrage: Sollte man heute überhaupt noch Sprachen lernen? Hier lautet meine Antwort ganz klar: Ja! Daraufhin könnten Sie sich natürlich fragen: Warum? Und: Warum besonders gut und intensiv, wie zum Beispiel im Bundeswettbewerb Fremdsprachen? Aus meiner Sicht gibt es dafür zwei Gründe.