Stifterverband

Wirkung ins Große denken

Jurysitzung in der Villa Hügel (Foto: Peter Gwiazda)
Jurysitzung in der Villa Hügel (Foto: Peter Gwiazda)
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Es ist ein geschichtsträchtiger Ort, an dem an Ideen für morgen gefeilt werden soll: In der legendären Villa Hügel in Essen trafen sich Innovatoren und stellten unter den fast ein Jahrhundert alten Wandteppichen in den riesigen Zimmerfluchten ihre Ideen vor, mit denen sie die Zukunft gestalten wollen. Im Herbst 2021 fand das Treffen statt, es war einer der Höhepunkte des Projekts Wirkung hoch 100: Hier bei dem Präsenz-Treffen kamen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit den Juroren ins Gespräch und diskutierten über die vielversprechendsten Konzepte. Dass diese mitreißende Dynamik entsteht, war eine der großen Hoffnungen, die der Stifterverband mit dem ungewöhnlichen Projektansatz verband.

Andreas Schlüter (2. von links) überreichte im Herbst 2021 den drei Gewinnerprojekten ihre Trophäen und Urkunden. Nicht vor Ort war das Projekt „Federate Secure Computing“.
Die Gewinner von Wirkung hoch 100 mit ihren Trophäen (Foto: Kay Herschelmann)
Die Gewinner von Wirkung hoch 100 mit ihren Trophäen (Foto: Kay Herschelmann)
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Wirkung hoch 100 steht für eine neue Art des Förderns

„Miteinander statt nebeneinander“ lautet das inoffizielle Motto von Wirkung hoch 100; der Stifterverband stellte damit seine langjährige Förderpraxis auf ein neues Fundament. In der Ausschreibung wurden die Bewerbungen nicht mehr so lange gesiebt und gefiltert, bis nur noch ein paar Preisträger übrig waren. Stattdessen gingen gleich 100 Gruppen gemeinsam an den Start – jede von ihnen mit einer eigenen Idee und mit den ersten erfolgten Schritten hin zu einer Umsetzung. Sie alle brachte der Stifterverband miteinander in Kontakt und stellte ihnen Experten aus unterschiedlichen Feldern als Coaches zur Seite. So wurden aus den Ideen nach und nach Konzepte, die eine Jury schließlich bewertete – 30 der ursprünglich 100 Ideen kamen dabei in die nächste Runde. Nach weiterem Feinschliff wurden sie bei jenem Treffen in der Villa Hügel vor einer hochkarätigen Jury präsentiert, die mit viel Sachverstand die Projektpläne nicht nur geprüft hat, sondern auch Impulse zu ihrer möglichen Weiterentwicklung geben konnte. Am Ende des Treffens in der Villa Hügel standen zehn Finalisten fest, aus denen schließlich einige Wochen später drei Gewinner ausgewählt wurden.

Diese Preisträger sind in drei verschiedene Kategorien eingeteilt: In der Kategorie Bildung gewann das Projekt Den Klimawandel - verstehen und handeln, das Schulen mit einem Koffer voller Lehr- und Anschauungsmaterial zur Klimakrise ausstatten will. Im Bereich Wissenschaft lag das Institut für Inklusive Bildung vorn, das an der Kieler Christian-Albrechts-Universität den Beweis antreten will, dass Inklusion auch in der höheren Bildung gelingt. Und in der Kategorie Innovation war es das Projekt Federated Secure Computing, dessen Initiatoren ein Instrument entwickeln, mit dem sich dezentral gespeicherte Daten so verschlüsseln lassen, dass übergreifende Analysen möglich sind.

 

So kompliziert das klingt, so gut lässt sich an dem Projekt Federated Secure Computing der Ansatz von Wirkung hoch 100 illustrieren. Bislang liegen beispielsweise an Unikliniken die Daten zu Patienten mit einer seltenen Krebsart – streng abgeschottet wegen des Datenschutzes. Könnten Forscherinnen und Forscher die Informationen aus allen Unikliniken zusammentragen, ließen sich daraus wichtige Erkenntnisse gewinnen, für die eben eine große Datengrundlage nötig ist. Datenschutzbestimmungen verhindern aber oft den Austausch. Um dieses Dilemma zu umgehen, entwickelte ein Team von der Ludwig-Maximilians-Universität München einen Ansatz, mit dem die Datensätze streng gesichert auf jenen Rechnern verbleiben, auf denen sie auch jetzt schon gespeichert sind – und sich über eine spezielle Verschlüsselungstechnik trotzdem für eine Analyse mit Daten von anderen Rechnern zusammenwerfen lassen. Die benötigte Kryptografie läuft auf einem unabhängigen Rechner, sodass die vorhandenen dezentralen Datenspeicher weiter genutzt werden können. Dank der Förderung des Stifterverbandes kann aus dem ursprünglich universitätsinternen Projekt jetzt eine Technologie werden, die auch für andere Bildungseinrichtungen, aber auch für Unternehmen und weitere Nutzer offensteht.

Cover-Bild Forschergeist (Foto: iStock.com/Garrykilian)
Cover-Bild Forschergeist (Foto: iStock.com/Garrykilian)
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Hendrik Ballhausen von der Ludwig-Maximilians-Universität München ist einer der Köpfe hinter dem Projekt Federated Secure Computing. Was es so besonders macht, erzählt er im neuen Forschergeistpodcast.

Hören sie hier weitere Folgen des Forschergeist-Podcast

Skalierung im Fokus

Dieses große Denken kennzeichnet den Ansatz von Wirkung hoch 100. Am Anfang waren die Lösungen vielfach nur für eine einzelne Fakultät, für eine spezielle Gemeinde, für eine Schule oder einen Verein gedacht. Wie sie sich skalieren lassen, damit auch weitere Interessenten davon profitieren, erarbeiteten die Initiatorinnen und Initiatoren in den Workshops während der Projektlaufzeit. Genau deshalb ist der Begriff von den Gewinnerprojekten eigentlich auch irreführend: Die zehn ausgewählten Ideen bekommen zwar am Ende noch einmal eine große Finanzspritze, damit sie die Umsetzung möglichst stark beschleunigen können – aber gewonnen haben auch die 90 anderen beteiligten Teams, die an ihren Ideen feilen. Manche zum Beispiel sind auf der Suche nach Lösungen für ein Nischenproblem, auf das dank Wirkung hoch 100 nun das Scheinwerferlicht fällt. Andere waren mit ihrer Ideenentwicklung noch nicht so weit, dass sie bei klassischen Wettbewerben eine Chance auf Förderung gehabt hätten, und konnten jetzt dennoch vom Netzwerk mit den Coaches und Projektpaten profitieren. Und wieder andere fanden über ähnlich gelagerte Projekte plötzlich Gleichgesinnte, mit denen sie sich zusammentun konnten – so schlossen sich beispielsweise drei Gruppen zusammen, um an innovativen Prüfungsformen im Hochschulbereich zu arbeiten. Davor waren sie Einzelkämpfer; jetzt haben sie daraus ihr gemeinsames Thema gemacht.

Erkenntnisse aus dem Projekt:

Für den Stifterverband war das Projekt Wirkung hoch 100, das 2021 auslief, ein Pilotversuch: Wie gut funktioniert es, wenn man bewährte Fördermechanismen bewusst beiseite lässt? Das Ergebnis hat Mut gemacht, auch künftig unkonventionelle Wege zu beschreiten und so das bestehende Portfolio an Ideen und Instrumenten zu erweitern. Die wichtigsten Änderungen und Lerneffekte:

Breite statt Spitze

Nicht eine Handvoll Leuchtturmprojekte wird gefördert, sondern nach dem Graswurzel-Prinzip eine ganze Menge von kleinen Ideen, die in einer späteren Phase aber große Wirkung entfalten können.

Mut zur Nische

Große strategische Projekte sind zweifelsohne wichtig – aber oft schlummern im Schatten lohnende Ideen, die das Zeug dazu haben, in ihrem kleinen Bereich wichtige Verbesserungen anzustoßen.

Umfassende Begleitung

Dank Coaches, Fachexpertinnen und -experten sowie Wirkungspatinnen und -paten stand eine ganze Reihe von Beratungsangeboten parat. Welche davon in welcher Phase sinnvoll sind und wo die Nachfrage besonders groß ist, gehört zu den Erkenntnissen, die der Stifterverband während der Projektlaufzeit gesammelt hat.

Synergien

Das Voneinander-Lernen hat viel Wirkung gezeigt – auch wenn die einzelnen Projekte thematisch keinen gemeinsamen Nenner haben. Viele Fragen beschäftigen alle Innovatorinnen und Innovatoren: von der Finanzierung über die Publizität bis hin zur Strategieentwicklung. Warum also nicht mit- und voneinander lernen?

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Der Artikel erschien zuerst im Jahresbericht 2021/22 des Stifterverbandes.

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