Herr Meyer-Guckel, wann haben Sie zum ersten Mal bemerkt, dass sich die Welt um Sie herum beschleunigt?
Moment: Das mit der Beschleunigung ist eine These, die Sie aufstellen. Corona hat ja gerade auch vieles entschleunigt. Wer in die Geschichtsbücher schaut und sich zum Beispiel mit dem Wandel zwischen 1850 und 1930 beschäftigt, der stellt fest: Es gab immer Phasen großer Transformationen, die als Beschleunigung empfunden wurden. Manchmal hilft ein Blick zurück, um festzustellen, dass die in unserer Generation gefühlte Beschleunigung historisch nicht so einzigartig ist.
Finden Sie? Das erste Smartphone kam 2007 auf den Markt, also vor recht kurzer Zeit – und seitdem hat die Digitalisierung doch nun wirklich fast alles umgekrempelt, oder?
Was sich für den Einzelnen beschleunigt, sind Kommunikationsweisen, in die man eingebunden ist. Und das empfinden viele als Belastung. Selbstverständlich sind auch Geschäfts- und Arbeitsprozesse schneller und effizienter geworden. Was sich ökonomisch und innovationspolitisch aber grundlegend wandelt, ist etwas anderes: Die Strukturen sind viel komplexer geworden. Wer ein Auto erfinden will, kann das als Ingenieur weitgehend alleine tun. Wer aber die Mobilität neu erfinden will, muss viele Akteure – global wie regional – zusammenbringen: Da geht es nicht mehr nur um den Autobau, sondern auch um Stadtplanung, um Energieversorgung und Expertise aus vielen anderen Bereichen. Das heißt, die Transformationsprozesse, in denen wir stecken, sind vielschichtiger geworden. Und es geht nicht mehr nur um neue Technologien, sondern um einen sozialen und kulturellen Umbau. Aber auch hier gibt es Parallelen zur industriellen Revolution.