Sie sagen, die fünfte industrielle Revolution wird weit radikalere Auswirkungen haben als die vier zuvor. Warum?
In den vergangenen Jahren hat die Automatisierung die Fabriken erobert, dadurch entsteht gerade die Industrie 4.0. Jetzt zieht die Automatisierung auch noch in die Büros ein, das heißt: Die Arbeit von vielen Buchhaltern, Bank- und Versicherungskaufleuten, Juristen und Steuerberatern – selbst von qualifizierten Knowledge-Workern – wird automatisiert werden. Mittlerweile werden bereits 40 bis 50 Prozent aller Finanzberichte der Banken von Softwareprogrammen geschrieben. Automatisierte Software schreibt bereits sogar stilsichere journalistische Texte, Ihr Berufsstand ist also auch bedroht ...
Danke, dass Sie mich daran erinnern.
Die Erfahrung zeigt eben: Was sich digitalisieren lässt, lässt sich auch vernetzen und wird auch vernetzt werden. Und was digitalisiert und vernetzt ist, kann auch automatisiert werden. Das Internet of Things (IOT) bereitet sich zu einem Internet of Everything aus. Nehmen wir das Auto: Es wird zurzeit erst einmal digitalisiert, also mit Sensoren versehen, dann wird es vernetzt und am Ende kann es selbst fahren. In einer digital optimal gemanagten Sharing-Economy brauchen wir nur noch 10 Prozent der Autos, die jetzt noch meist ungenutzt auf den Straßen herumstehen. Der Bedarf an neuen Autos wird also radikal einbrechen und das bedroht den Erfolg unserer wichtigsten Industriebranche in Deutschland.
Viele Branchen fürchten die nächste digitale Disruption. Wie können Unternehmen radikale Veränderungen durch digitale Zukunftstechnologien erfolgreich überstehen?
Darwin hatte betont, dass man sich anpassen muss – adapt or die. Das gilt auch für die digitale Evolution, dabei ist diese um ein Vielfaches schneller als die biologische. Früher konnte man bis zu 25 Jahre Umsätze mit dem gleichen Produkt machen. Heutzutage dauert es in manchen Branchen nur wenige Monate, dann ist die nächste Produktgeneration geboren. Ist die neue Software erst einmal geschrieben, kann sie per Knopfdruck millionenfach bereitgestellt werden. Warum haben Start-ups so große Vorteile in diesem digitalen Wettbewerb? Sie müssen keine Rücksicht auf ihre eigene Vergangenheit nehmen, denn sie haben gar keine. Deswegen haben sie keine Angst, Dinge zu zerstören. Sie können radikal Neues erzeugen, alte Geschäftsmodelle angreifen. Könnten etablierte Unternehmen mit solchen Störenfrieden erfolgreich zusammenarbeiten? Ja, aber nur, wenn das Managementteam bereit ist, das eigene Geschäftsmodell zu kannibalisieren, also die Disruption der eigenen Branche selbst vorwegzunehmen. Sonst wird das nichts mit der Digitalisierung.