• Home
  • Insights
  • „Wir stehen vor einer Fachkräftekatastrophe“

„Wir stehen vor einer Fachkräftekatastrophe“

image
Foto/Illustration: iStock/ Sven Sedivy
©

Friedrich Hubert Esser ist Bildungsforscher und seit 2011 Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung. 1977 startete er mit einer Bäckerlehre in den „Ernst des Lebens“. Auch heute noch will er diese Erfahrung nicht missen. Für ihn haben Handwerksberufe einen hohen Stellenwert und er ist stolz darauf, dass er seine Karriere so selbstbewusst und selbstverständlich über den zweiten Bildungsweg gegangen ist. 

Friedrich Hubert Esser ist einer der wichtigsten Experten für die deutsche Berufsbildung. Die hat international zwar nach wie vor ein hohes Ansehen. In Deutschland aber sinkt die Wertschätzung für dieses weltweit bewunderte Bildungsangebot seit vielen Jahren. 

Esser setzt sich dafür ein, dass diese ungute Entwicklung gestoppt wird. „Wir müssen das wieder geraderücken“, sagt er oft. Er ist ein besonnener Gestalter und hält nichts davon, dass eine gegen das andere irgendwie auszuspielen. Bachelor und Meister – das ist natürlich beides gut und, was die Kompetenzentwicklung angeht, sowieso längst gleich anspruchsvoll.

 

„Gerade in Zeiten der Digitalisierung, wo auch die Inhalte der Berufsbildung zunehmend abstrakter werden, brauchen wir starke Berufsschulen. Wir müssen deshalb den Mangel an Lehrkräften dort dringend lösen.“

Friedrich Hubert Esser
Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung

Friedrich Hubert Esser beunruhigt, dass dies in der Lebenswelt vieler Eltern nicht ankommt. Sie hätten anscheinend nur noch wenig Vertrauen in die Tatsache, dass eine duale Berufsausbildung ein sehr guter Start für die Karriere ihre Kinder sein kann. Gerade für solche Kinder, die schulmüde sind. Friedrich Hubert Esser kennt dieses Desinteresse an Schule selbst. Als Teenager hatte er irgendwann genug von all den Fächern und wollte stattdessen raus ins Leben. 

Der Bildungsexperte wird nicht müde, auf die Durchlässigkeit und Vorteile des deutschen tertiären Bildungssystems hinzuweisen: Ein „Draufsatteln“ von Bildung sei jederzeit möglich. Und was die Lust am Lernen angeht? Die komme oft genug von allein zurück.

Das angeknackste Image der Berufsausbildung allerdings macht Friedrich Hubert Esser wirklich Sorgen. Er mahnt mittlerweile mit klaren Worten vor einer Fachkräftekatastrophe im Handwerk und nicht mehr bloß vor einem Fachkräftemangel. Dieses Lauterwerden ist nötig, denn der demografische Wandel wird das Problem befeuern und auch in den Berufsschulen gibt es große Baustellen.

Was all das mit unseren zukünftigen Smart Homes und der Energiewende zu tun hat, erzählt Friedrich Hubert Esser im Durchfechter-Podcast. Er entstaubt die Vorstellungen über traditionelle Berufe und wirbt für ein breiteres Bildungsverständnis an Gymnasien.

Logo Handlungsfeld

In der Programmatik des Stifterverbandes spielt die größere Durchlässigkeit im deutschen Bildungssystem eine bedeutende Rolle. Das Handlungsfeld „Beruflich-akademische Bildung“ hat der Hochschul-Bildungs-Report (HBR) über Jahre hinweg beobachtet und immer wieder auf Defizite hingewiesen. Im Fokus stand, inwieweit sich die Hochschulen für beruflich Gebildete und Dualstudierende öffnen und wie praxisorientiert die akademische Bildung ist. Mit knapp 30.000 Studienanfängern in einem dualen Studium 2020 konnte die Zahl seit 2010 fast verdoppelt werden. Auch die Zahlen zu den Studierenden ohne Abitur haben sich in der vergangenen Dekade positiv entwickelt. Zudem sind diese Studierenden sehr erfolgreich mit einer geringen Abbrecherquote. Insgesamt macht der HBR jedoch deutlich, dass die Bemühungen in diesem Handlungsfeld noch weiter verstärkt werden müssen. Printexemplar bestellen

Mehr zum Hochschul-Bildung-Report
Tauchen Sie tiefer in unsere Insights-Themen ein.
Zu den Insights