Prof. Calarco, Sie gelten als eine treibende Kraft hinter den milliardenschweren Förderprogrammen für Quantentechnologien, die es in Deutschland und Europa heute gibt. Wie lassen sich diese Milliardensummen rechtfertigen?
Es gibt zwei Aspekte. Erstens sind wir überzeugt, dass Quantentechnologien viel leisten können für uns als Gesellschaft. Und zweitens müssen wir in Europa investieren, um nicht beispielsweise von den USA oder China abgehängt zu werden.
Mit welchem Gewinn darf die Gesellschaft rechnen?
Die Wissenschaft konnte zeigen, dass sich einzelne Quantenobjekte manipulieren lassen. Einzelne Atome, einzelne Moleküle, einzelne Ionen, einzelne Photonen. Das führt zu enormen Leistungssteigerungen verschiedener Technologien. Und von dieser Leistungssteigerung profitieren Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft.
Zum Beispiel?
Dadurch, dass wir in Atomuhren heute einzelne Atome manipulieren können, ist es möglich, Zeit viel präziser zu messen als bisher. Das ist relevant für Navigationssysteme. Wenn ich hier die Präzision weiter steigern kann, heißt das, dass ich die Position meines Autos nicht mehr nur – wie heute – innerhalb einiger Meter bestimmen kann, sondern innerhalb von ein paar Zentimetern oder sogar Millimetern. Das hätte für das autonome Fahren und die in Deutschland so wichtige Autoindustrie enorme Bedeutung. Ein zweites Beispiel: Quantencomputing wird in der Logistik für deutlich mehr Effizienz sorgen, denn der Quantencomputer wird in der Lage sein, Lieferwege von Paketboten zu optimieren. Die Folge: Weniger Verkehr, weniger Benzinverbrauch, weniger Zeit, die investiert werden muss. Auch das nützt Wirtschaft und Gesellschaft. Und ein letztes Beispiel: In den Materialwissenschaften können wir mithilfe von Quantensimulatoren in Zukunft längerfristig möglicherweise neue medizinische Wirkstoffe entwickeln, ohne diese im Tierversuch testen zu müssen. Allein aufgrund von Berechnungen soll die Wirkweise kalkulierbar werden.