Gibt es weitere Parallelen zur AfD?
Was man in Teilen von der AfD hört, ist ähnlich wie bei Donald Trump eine brutale Sprache, die jeden Demokraten ärgern muss, der Demokratie als letztlich konsensorientierte Veranstaltung versteht, in der es Gegnerschaft gibt, aber keine Feindschaft. Der Fraktionsvorsitzende Gauland hat am Abend der Bundestagswahl gesagt, dass man jetzt Merkel „jagen“ werde. Jagen ist eine Metapher und im harten politischen Diskurs nicht ganz unüblich. Das darf man sagen. Viel besorgniserregender war damals Gaulands zweiter Satz, nämlich die Ankündigung: „Wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen.“ Das ist zutiefst undemokratisch, denn das Staatsvolk ist ja der Souverän. Über den will er mit seiner Partei offenbar verfügen. Das ist etwas, wo der Verfassungsschutz hinschauen müsste.
Kann die Öffentlichkeit ein Sprachkorrektiv sein?
Unbedingt. Wir erleben ja auch, dass eine kritische Öffentlichkeit Wörter, die ihr unethisch erscheinen, zum Gegenstand politischer Sprachkritik macht. Beispielsweise mit Kritik an der Konzeptualisierung von Zuwanderung als „Flut“, als „Strom“, bei dem „Schleuser“ ihr übles Werk tun. Die Vorstellung von eindringenden Wassermassen verstellt den Blick auf die prinzipielle Differenz zwischen physikalischen Phänomenen und der Sphäre des Menschen, die durch Personalität, Individualität und Menschenrechte bestimmt ist. Kommunikationswissenschaftlich gesprochen ist das ein Verstoß gegen die Maxime, das Wesentliche zu berücksichtigen.
Wir ringen heute um eine diskriminierungsfreie Sprache. Was halten Sie von Versuchen, politisch korrekt zu formulieren?
Ich halte die Tendenz für gut begründet. Aber so berechtigt die Sensibilität dafür ist, Menschen sprachlich nicht zu diskriminieren, so sehr kann man das übertreiben. Beispielsweise beim Wort Asylant, das bis Anfang der 90er-Jahre diejenigen bezeichnete, die in Deutschland um Asyl baten. Dann gab es den fürchterlichen Brandanschlag in Solingen sowie Übergriffe auf Migranten und aus Teilen der Sozialwissenschaften kam eine Begriffskritik. Asylant klinge wie Bummelant, Querulant und Sympathisant und sei damit Ausdruck von Rassismus, auch wenn der Begriff tatsächlich sprachhistorisch im 19. Jahrhundert analog zu Immigrant und Emigrant geprägt wurde. Die Politik hat das sehr schnell aufgenommen und das Wort war im Bundestag bald nicht mehr zu hören. Seither gibt es eine Art Fluchtbewegung von einem politisch korrekten Wort zum politisch noch korrekteren. Aus Asylant wurde erst Asylbewerber, dann Asylsuchender. Aus Asylsuchenden wurden Flüchtlinge, aus Flüchtlingen Geflüchtete. Im Moment sind wir bei Schutzsuchenden angekommen.
Welchen Einfluss haben die sozialen Medien heute auf den Sprachgebrauch?
In der politischen Öffentlichkeit hatte der Stammtisch als Stil lange Zeit keine Chance. Jetzt erleben wir das weltweite Aufkommen brutalen, rüden, unzivilisierten Redens – sogenannter Hate Speech. Vor allem Twitter mit seiner Notwendigkeit, ganz spitz zu formulieren, begünstigt die Polarisierung. In der klassischen Presse wird ein unflätiger Leserbrief von der Redaktion aussortiert. Das funktioniert in den sozialen Netzwerken nicht ausreichend, auch wenn es inzwischen gesetzliche Vorgaben gibt. Das färbt auch auf den Sprachgebrauch von Politikern ab. Es verschiebt die Maßstäbe.