Sonstiges

Nur eine Legalisierung von Drogen wird ihren Missbrauch eindämmen

Cannabis Station, Denver, Colorado
Cannabis Station, Denver, Colorado (Foto: Jeffrey Beall, "Cannabis Station"/CC BY-SA 2.0 via flickr.com)
©

Die neue kanadische Regierung hat die Cannabisfreigabe als erster G7-Staat jüngst auf die Agenda gesetzt, nachdem zuvor schon vier US-Bundesstaaten (Colorado, Washington, Oregon und Alaska) diesen Weg beschritten haben. In Kalifornien steht im November eine Volksabstimmung zur Freigabe von Cannabis an. Auch in Deutschland haben diverse Kommunen wie Berlin, Düsseldorf und Bremen den Wunsch nach einer Freigabe geäußert.

Sowohl zahlreiche Ökonomen wie etwa die Nobelpreisträger Milton Friedman, George A. Akerlof und Vernon L. Smith als auch die im Schildower Kreis versammelten deutschen Strafrechtslehrer vertreten schon lange die Forderung nach einer kontrollierten Drogenfreigabe. Der Grund dafür ist nicht etwa, wie die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, vermutet, dass die Befürworter einer Liberalisierung die schädlichen Gesundheitswirkungen illegaler Drogen unterschätzen und verharmlosen würden.

Das Gegenteil ist der Fall: Gerade weil der Drogenkonsum schädlich ist, sollte er kontrolliert werden. Die heutige Prohibition ist der Nährboden für kriminelle Strukturen, terroristische Vereinigungen wie den „Islamischen Staat“ und verbrecherische Drogenkartelle, welche ihre Profitinteressen mit äußerster Gewalt durchsetzen. Um diesen Verbrechern ihre Geschäftsgrundlage zu entziehen, gilt es, den Handel in legale, aber staatlich kontrollierte Bahnen zu lenken. Drogendealer haben heute kein Interesse an einer sachgerechten Aufklärung über Gesundheitsrisiken – im Gegenteil. Zudem ist die Qualität vieler Drogen für die Konsumenten nicht erkennbar und führt daher zu zahlreichen Gesundheitsproblemen. Dies alles ließe sich durch eine staatliche Kontrolle und Lizenzierung viel besser in den Griff bekommen, als wenn man den Markt faktisch kriminellen Vereinigungen überlässt, die mit brutaler Gewalt ihre Marktanteile verteidigen

Gescheiterte Drogenpolitik

Fakt ist: Die bisherige Drogenpolitik ist auf ganzer Linie gescheitert. Es ist heute überhaupt kein Problem, sich in Deutschland alle möglichen Drogen zu besorgen und diese zu konsumieren. Die entsprechenden Parks, Clubs und Viertel deutscher Großstädte sind bestens bekannt oder durch eine Google-Suche zu ermitteln. Der Staat hat durch die Prohibition faktisch jegliche Kontrolle über den Markt verloren. Durch sogenannte Legal Highs verstärkt sich das Problem zudem: Ständig werden neue Stoffe zusammengemischt, um das Betäubungsmittelgesetz temporär zu umgehen. Der Gesetzgeber kommt überhaupt nicht hinterher, die Zahl neu entdeckter Substanzen auf dem europäischen Drogenmarkt wächst seit Jahren. Die gesundheitlichen Folgen sind für die Konsumenten nicht absehbar. Wäre der Drogenkonsum hingegen legal, könnten Konsumenten klar zwischen zugelassenen und nicht zugelassenen Stoffen unterscheiden und die legalen Hersteller auch haftbar machen, so wie bei Alkohol oder Medikamenten.

Zu bedenken ist auch: Der Drogenkonsum verursacht vor allem Schäden bei den Konsumenten selbst. Das teilweise vorgebrachte Argument, man könne bei einer Drogenfreigabe auch gleich andere Verbrechen legalisieren, geht daher völlig fehl: Ein Verbrechen schädigt Dritte, der Drogenkonsum jedoch nicht. Die Beschaffungskriminalität wiederum ist gerade eine Folge der Prohibition, die einen legalen Konsum unmöglich macht. Zudem ruft zumindest der Cannabiskonsum deutlich weniger Aggressionen bei den Konsumenten hervor als etwa übermäßiger Alkoholkonsum. Insbesondere für das Cannabisverbot gibt es daher kaum gute Argumente.

„Der Staat hat durch die Prohibition faktisch jegliche Kontrolle über den Markt verloren.“

Justus Haucap
Justus Haucap (Foto: Bussenius/Renicke)
©
Justus Haucap

Das umstrittene Argument, Cannabis diene als Einstiegsdroge, verkennt, dass dies – wenn überhaupt – eher eine Folge der Prohibition sein dürfte als eine gute Begründung. Ein wesentliches Problem besteht heute darin, dass weiche und harte Drogen nicht selten bei denselben Dealern oder an denselben Orten gekauft werden können. Weil die Margen bei harten Drogen höher sind (da sie nicht selbst angebaut oder produziert werden können), haben Dealer hohe Anreize, die Konsumenten weicher Drogen zum Umstieg auf harte Drogen zu motivieren, sie „anzufixen“. Bei einer Legalisierung weicher Drogen entfiele dieses Problem weitgehend. So wie mein Wein- oder Tabakhändler mich nicht zum Kauf illegaler Produkte verleiten will, würde mich auch ein legaler Cannabishändler nicht mehr zum Umstieg auf illegale harte Drogen animieren wollen. Zugleich könnte der Staat bei legalen Cannabisprodukten Qualitätsvorgaben machen, Händler und Produzenten lizenzieren und überprüfen und nicht zuletzt Steuereinnahmen generieren. Die Politik im US-Bundesstaat Colorado kann hier als Vorbild dienen. Zugleich entfielen die Kosten der Strafverfolgung durch Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte. Amerikanische Ökonomen haben die Summe der steuerlichen Mehreinnahmen und Kosteneinsparungen auf 10 bis 14 Milliarden Euro geschätzt. Ein analoger Betrag von zwei bis dreieinhalb Milliarden Euro für Deutschland, den das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) errechnet hat, scheint da durchaus plausibel.

Baustein im Kampf gegen den Terror

Natürlich ist es zumindest theoretisch denkbar, dass bei einer Legalisierung von Cannabis der Konsum zunimmt. Wahrscheinlich ist dies jedoch nicht, wie Erfahrungen aus anderen Staaten zeigen. Ein systematischer Zusammenhang zwischen dem Grad der Repression in der Drogenpolitik und dem Konsumniveau ist zumindest nicht erkennbar. Warum nicht? Zum einen entfällt der Reiz des Verbotenen, zum anderen kann sich schon heute fast jeder in Deutschland problemlos Cannabisprodukte besorgen. Nur sind dies Produkte von oftmals zweifelhafter Qualität, verkauft von dubiosen Händlern ohne staatliche Aufsicht, die zugleich den Anreiz haben, die Konsumenten zum Kauf harter Drogen zu animieren. Was an diesem System, das sich eben nicht zufällig, sondern zwangsläufig durch die Prohibition entwickelt, vorteilhaft sein soll, ist absolut schleierhaft. Erfahrungen weltweit zeigen, dass es zudem eine Illusion ist, zu glauben, durch noch mehr Polizei und Haftstrafen das Problem lösen zu können. Genau diese Politik ist weltweit gescheitert.

Von der Prohibition profitieren heute allein das organisierte Verbrechen und terroristische Organisationen. Die Legalisierung von Drogen kann daher auch ein Baustein im Kampf gegen den Terror sein, da dies Drogenkartellen und Terrororganisationen die Geschäftsgrundlage entziehen würde. Selbst wenn eine umfassende Drogenliberalisierung politisch nicht möglich wäre, sollten zumindest der Konsum und der Handel von Cannabis legalisiert werden; nicht obwohl, sondern gerade weil der (übermäßige) Konsum gesundheitsschädlich ist und daher eine staatliche Aufsicht besser ist als eine Organisation des Drogenmarktes durch Kriminelle.

Tauchen Sie tiefer in unsere Insights-Themen ein.
Zu den Insights