Während der 68er-Proteste stritten die Studierenden an den Universitäten intellektuell auf einem hohen Niveau. Das Argumentieren fand damals in der Logik des Systems Universität statt. Natürlich habe es auch das Niederbrüllen und Ähnliches gegeben, erzählt Sandra Kostner in der aktuelle Folge des Durchfester-Podcats, aber der intellektuelle Schlagabtausch habe damals weitestgehend im Vordergrund gestanden und nicht die Gefühle einzelner. Heute wirkten die Proteste mancher Studierendengruppen an Hochschulen nicht mehr so, als wolle man sich überhaupt auf einer Sachebene über Missstände austauschen, findet Sandra Kostner. Es gehe sehr schnell um Persönliches und darum, dass sich einige in ihren Gefühlen verletzt fühlten und der Gegenpart deshalb schweigen solle.
Die Soziologin Sandra Kostner vermisst heute in manchen wissenschaftlichen Diskurse in Forschung und Lehre eine gute und offene Streitkultur. Die Sorge unter Lehrkräften und Studierenden, „bloß kein falsches Wort“ in der Vorlesung oder im Seminar zu sagen oder aufgeschrieben als Lehrinhalt anzubieten, weil man ansonsten womöglich als Person „heruntergeputzt wird“, hält die Wissenschaftlerin für ein zunehmendes Problem in Deutschland. Und sie hat sich dafür entschieden, darüber jetzt häufiger in der Öffentlichkeit zu sprechen.