Sie plädieren für einen „aufgeklärten Egoismus“ der Finanzeliten.
Wir können das Problem gemeinsam lösen, mit letztlich überschaubaren Kosten. Es geht natürlich auch darum, die globale Marktwirtschaft funktionsfähig zu halten und einigermaßen stabile Verhältnisse zu sichern. Nur dann wird das Big Business übrigens weiterhin möglich sein.
Wenn sich Corporates und Großinvestoren in armen Ländern engagieren, hat das selten mit Nachhaltigkeit zu tun.
Alle Projekte, die Klimazertifikate erzeugen, müssen glaubhaft und unter strengen Kriterien zertifiziert werden, sonst werden die Zertifikate nicht gekauft. Ein gutes Beispiel ist der Gold Standard for the Global Goals, weil dieser streng auf die Klimaseite und auf die Co-Benefits eines Projektes achtet: Entstehen Verbesserungen für die Bevölkerung vor Ort – sozial, medizinisch, in der Energieversorgung? Nicht als Almosen, sondern von der Projektlogik her gedacht? In diesem Standard haben sich viele NGOs zusammengetan und viele Abnehmer legen Wert auf die Zertifizierung gemäß diesem Standard, weil er professionell in der Umsetzung ist. Das gilt so auch für einige weitere Standards.
Sie setzen tatsächlich auf einen weltweiten Handel mit CO2-Emissionszertifikaten, um die Klimakrise zu lösen!?
Ja sicher. Ein Hektar „neu gewonnene Biologie“, das sind etwa zehn gebundene Tonnen CO2 und im Moment ist das circa 100 Euro wert. In einem Jahrzehnt wird es vielleicht 200 Euro wert sein. Der Preis muss auf dem Zertifikatemarkt korrekt abgebildet werden, das heißt, er muss die hohen Kosten abbilden, die für die Gesellschaft insgesamt vermieden werden, wenn Umweltverbrauch verhindert oder rückgängig gemacht wird. Naturverbrauch muss einen gerechten Preis erhalten. Dann können reiche Unternehmen im Norden – auch Kommunen, ganze Länder – ihre eigenen CO2-Emissionen klimaneutral stellen, indem sie klimagünstige Projekte im Süden mitfinanzieren. Und das muss so erfolgen, weil sich das Klimathema in den bevölkerungsreichen ärmeren Ländern entscheiden wird und nicht bei uns. Wir haben berechnet: Allein in Deutschland könnten Unternehmen, Institutionen und der Staat jährlich mindestens eine Milliarde Tonnen CO2-Einsparungen in finanzielle Entwicklungszuschüsse verwandeln. Deutschland könnte der erste klimaneutrale Industriestaat werden.
Gibt es schon Mitstreiter?
Unternehmen wie die Munich Re, die Commerzbank, RITTER SPORT, ZwickRoell stellen sich bereits klimaneutral. SAP hat Klimaneutralität bis 2025 angekündigt. Auch das Bundesland Hessen wird seine Verwaltung bis 2030 klimaneutral stellen und dabei auch kompensieren. Die Vereinten Nationen bündeln weitere solche Maßnahmen in ihrer Initiative Climate Neutral Now. Das sind alles wichtige Schritte, aber wir müssen das um den Faktor 100 steigern.
Sie schreiben in Ihrem Buch, die Bundesregierung habe vor einiger Zeit eine günstige Gelegenheit für eine neuartige Klimakooperation verpasst. Was ist da passiert?
Es lag ein Angebot auf dem Tisch, das Öl unter dem Regenwald in Ecuador unter der Erde zu lassen, den Regenwald stehen zu lassen, das Öl nicht zu nutzen. Das hatte Ecuador einigen Ländern des Westens für fünf Euro pro Tonne CO2 pro Jahr angeboten. Zum Schluss ist der Vertrag, insbesondere auch an Deutschland, gescheitert. Der damalige Entwicklungsminister hat gesagt: „Ich zahle nicht dafür, dass nichts passiert.“ In diesem Satz steckt ein tiefes Missverständnis über die Probleme der Welt. Es geht an vielen Stellen darum, auf intelligente Weise dafür zu sorgen, dass an entscheidender Stelle nichts passiert. Dass die Regenwälder nicht abgeholzt werden. Und gleichzeitig natürlich dafür zu sorgen, dass viele Wälder neu entstehen und viele fruchtbare Böden zurückgewonnen werden.
Wenn wir hier kein Geld einsetzen oder Geld für Klimaaktivitäten weiter primär nur in Europa investieren, um mit enormem Aufwand nur wenig CO2 einzusparen – ob durch Wärmepumpen, Häuserdämmung oder Elektroautos –, dann lassen wir die Länder im Süden im Stich. Dann werden wir die Klimakatastrophe nicht verhindern.