Befürworter erhoffen sich von solchen Verfahren mehr Partizipation der wissenschaftlichen Community in Peer-Review-Prozessen. Steigt die Akzeptanz für solche und ähnliche Verfahren, könnte sich eine wissenschaftliche Arbeit, die auf einer Blockchain für Science Publishing zum Beispiel 30.000 Likes von Kollegen erhält, auch finanziell auszahlen – etwa wenn die Bewertung in Prüfvorgängen für neue Finanzierungsmittel mit berücksichtigt wird. Unternehmen wie Digital Science entwickeln hierzu größere Modellversuche. Shermin Voshmgir denkt schon weiter: „Man könnte vergleichbare Verfahren auch nutzen, um das Gutachtensystem selbst zu demokratisieren.“
Auch im Bildungssystem können blockchainbasierte Peer-to-Peer-Plattformen bald die Logik zentralisierter Abläufe aufbrechen, etwa wenn Lehrende ihre Bewertungen über dezentralisierte Protokolle direkt den Lernenden übergeben. „Lernende und Forschende werden durch direkte Interaktionen auf der Blockchain an Autonomie gewinnen“, glaubt Lambert Heller, Leiter des Open Science Lab an der TIB – Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften und Universitätsbibliothek in Hannover.
Was spricht nun gegen eine schnelle Verbreitung in der Wissenschaft? Der enorme Energieverbrauch der Blockchain in großen Rechnernetzwerken bleibt die Herausforderung. Auch ist es technisch aufwändig, sie auf existierende komplexe Datenbanken aufzusetzen. Wird es sich für die meisten Wissenschaftler lohnen, ihre Datenbanken in eine Blockchain zu übertragen? „Unwahrscheinlich“, behaupten Datenwissenschaftler wie Daniel Himmelstein in der Physics Today. „Zentrale Datenbanken sind weit flexibler, auch können sie viel einfacher geändert werden.“
Und es gibt noch ungeklärte Grundsatzfragen: Wer entscheidet darüber, was als korrekte Daten erkannt und in die Blockchain eingetragen wird? Noch wichtiger: Wer entscheidet, auf welche Absicht hin eine Blockchain programmiert wird? „Bei digitalen Innovationen entscheiden meist Entwickler und Programmierer darüber, welche Regeln durch neuen Code gesetzt werden. Und diese Regeln wirken in der Anwendung dann quasi wie Recht“, beobachtet die Wissenschaftsmanagerin Denise Feldner. Sie betont: „Damit sich eine neue Technologie gesellschaftlich sinnvoll entwickelt, braucht es möglichst große Vielfalt bei den von den Menschen eingebrachten Wertvorstellungen.“ Hierzu eine Zahl: Im Moment sind nur rund fünf Prozent aller Entwickler und Coder in der deutschen Blockchain-Welt Frauen.
Vielleicht sorgt ja ausgerechnet eine neue Blockchain-Anwendung für mehr Diversity bei der Auswahl zukünftiger IT-Entwickler? Das Start-up Learning Machine entwickelte zusammen mit dem MIT Media Lab einen neuen Technologiestandard, der Bildungstitel und Abschlüsse mit wenigen Klicks auf der Blockchain verifizierbar machen soll. Die Innovation könnte es „Millionen Migranten ermöglichen, sich mitgebrachte Bildungsabschlüsse unbürokratisch und glaubwürdig bestätigen zu lassen“, versprach die Projektleiterin auf dem Global Education & Skills Forum 2018.