Eine auf gesellschaftliche Probleme orientierte Forschung ist seit Langem im Wissenschaftssystem etabliert: Der Großteil der medizinischen Forschung und der Ingenieurwissenschaften sind so motiviert. Mit der Fraunhofer Gesellschaft existiert eine ganze Forschungsgemeinschaft im deutschen Wissenschaftssystem, die sich wirtschaftlich relevante technologische Problemlösungen auf die Fahnen schreibt. All das existiert in friedlichem Nebeneinander mit einer Grundlagenforschung, wie sie die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert oder mit der Max-Planck-Gesellschaft gar einen festen Ort in der außeruniversitären Wissenschaftslandschaft hat. Berührungsängste existieren ebenfalls kaum. So hat die Max-Planck-Gesellschaft erst vor wenigen Jahren eine engere Kooperation mit der Fraunhofer-Gesellschaft verkündet.
Wie ist zu erklären, dass der Ruf nach einer „transformativen Wissenschaft“ so viel Resonanz im Wissenschaftssystem erzeugt?
Hinter der Formel einer transformativen Wissenschaft steckt die Forderung, dass sich Wissenschaft im 21. Jahrhundert noch stärker an großen gesellschaftlichen Herausforderungen ausrichten soll. Sie zielt auf eine Forschung und Lehre, die schon bei der Problemdefinition und Problembearbeitung auch außerwissenschaftliches Wissen mit einbezieht und so zu Wissen kommt, das nicht nur an den wissenschaftlichen Diskurs anschlussfähig ist. Es soll auch handelnden Akteuren vor dem Hintergrund aktueller Problemlagen eine Orientierung geben. Die Ansätze der transdisziplinärer Forschung liefern seit rund zwanzig Jahren die Konzepte und die Methodologie, um eine solche Wissensintegration zu ermöglichen – ohne dass dies die Anschlussfähigkeit an klassische disziplinäre und interdisziplinäre Wissensproduktion behindert. Eine relevante Verbreitung im Wissenschaftssystem haben sie bisher kaum gefunden.