Innovationssystem

„Tesla hätte in Deutschland keine Chance gehabt“

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(Illustration: iStock/filo)
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Herr Schmidt, Sie sagen, unserer Mobilität, der Fortbewegung von A nach B, steht ein Paradigmenwechsel bevor.
Wir stecken in diesem Paradigmenwechsel schon mittendrin! Viele technologische Innovationsanstrengungen im Deep-Tech-Bereich, also der Hochtechnologie, steuern ganz klar in Richtung vernetzte und autonome Mobilität.

Sie entwickeln Software für diese neue Mobilität. In welche Projekte investieren Sie Ihre Kraft?
Der Bereich der Schlüsselinnovationen ist für uns sehr spannend, weil diese Innovationen disruptive Technologien überhaupt erst ermöglichen. ATS hat bereits einige dieser Schlüsselinnovationen identifiziert. Nehmen wir das Beispiel Softwareupdates: Erst wenn sich Updates drahtlos, zeitnah und sicher in Fahrzeuge übertragen lassen – man spricht hier von Softwareupdates „over the air“ (SOTA) –, wird autonomes Fahren wirklich attraktiv, alltags- und verkehrstauglich. Softwarefehler lassen sich so unmittelbar beheben. Aber auch neue Features oder Funktionen können dann ohne Werkstattfahrt übertragen werden, was nicht nur neue Geschäftsmodelle für die Hersteller ermöglicht, sondern auch kontinuierlich die Effizienz und damit auch die ökologische Bilanz von Fahrzeugen verbessern wird.

Sie setzen ganz klar auf industrieweite Standards und Open-Source-Technologien. Und preschen bereits mit Ihrem Kernprodukt auf dem weltweiten Markt voran.
Ja das stimmt. Wir haben mit OTA Plus derzeit die einzige speziell für die Anforderungen von Automobilherstellern und Zulieferern konzipierte Open-Source-Lösung für Softwareupdates „over the air“. Durch Marktanalysen war uns schnell klar, dass die bis dato existierenden sogenannten proprietären SOTA-Lösungen, also Software, die auf herstellerspezifischen, nicht veröffentlichten Standards basiert, kein Weg sein können: Sie waren entweder technologisch defizitär, zu teuer oder mit großen Fragezeichen versehen hinsichtlich Datenschutz und Datensicherheit. Das hat uns darin bestärkt, bestehende internationale Initiativen führender Hersteller zu unterstützen, die bereits mit einem offenen Quellcode arbeiten, um industrieweite Standards zu entwickeln – für europäische Unternehmen ist das eine echte Alternative zu herstellerspezifischen Lösungen aus dem Silicon Valley.

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Armin G. Schmidt (Foto ATS)
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Zukunft der Mobilität

Armin G. Schmidt ist Gründer und Geschäftsführer von ATS Advanced Telematic Systems, einem deutschen Softwareunternehmen, das Lösungen für die Zukunft der Mobilität, vor allem für das vernetzte und autonome Fahren, entwickelt. Zu den Kunden von ATS zählen Automobilhersteller und Zulieferer, aber auch neue Akteure, die an diesem Segment partizipieren wollen. 

Wie wichtig sind Netzwerke für Innovationen?
Für die Produkte und auch die Unternehmensphilosophie von ATS spielen Netzwerke – intern sprechen wir lieber von Communitys – eine wichtige Rolle. Als aktives Mitglied in der Linux Foundation, einem Zusammenschluss der Open Source Development Labs, der Free Standards Group sowie privatwirtschaftlicher Unternehmen, stecken wir viel Arbeit und Ressourcen in die Etablierung industrieweiter Standards.

Auf der anderen Seite profitieren wir von den Beiträgen der Community, die ständig an der Verbesserung offener Quellcodes arbeitet und uns so bei der Weiterentwicklung unserer Open-Source-basierten Produkte unterstützt. Insofern sind diese Netzwerke oder Communitys tatsächlich ein Ort, an dem Innovationsprozesse entstehen – und das auf Basis einer echten Win-win-Situation.  

„Die Risikoaversion bei Finanziers und in Unternehmen ist leider weiter ein großes Hemmnis für wirkliche Innovationen in Deutschland.“

Armin G. Schmidt

Was bremst Innovationen in Deutschland noch aus?
Die Risikoaversion bei Finanziers und in Unternehmen ist leider weiter ein großes Hemmnis für wirkliche Innovationen in Deutschland. Jeder möchte ein deutsches Tesla, dabei hätte ein Unternehmen wie Tesla in Deutschland überhaupt keine Chance auf die Fördersummen gehabt, wie sie in den USA durch eine gut entwickelte Business-Angels- und Venture-Capital-Szene bereitgestellt worden sind. Hinzu kommt: In den USA ist das gesellschaftliche Klima tendenziell fehlerfreundlicher und Scheitern nicht unbedingt eine lebenslange Niederlage, wie es in Deutschland manchmal den Anschein hat.

Ein weiteres Hemmnis für Innovationen der Zukunft ist, dass diese Innovationen und die Wertschöpfung von morgen im Bereich Software stattfinden werden. Ein Bereich, der in Deutschland international weniger wettbewerbsstark ist – im Vergleich zu den traditionellen forschungsstarken Industrien.

In Deutschland gibt es kein Softwareunternehmen, das auch nur annähernd die Marktkapitalisierung von Apple oder Google besitzt, mit dem Resultat, dass letztere Firmen die großen Talente direkt von den Ivy-League-Unis wegkaufen. Ein Unternehmen wie Daimler oder VW kann sich diese Superbrains unter den herrschenden Bedingungen schlicht und ergreifend nicht leisten – ein Zustand, der sich rasch ändern sollte.

Wie halten Sie Ihre Talente beziehungsweise wie finden Sie neue?
Natürlich arbeiten wir an einem extrem relevanten Thema, der Zukunft der Mobilität. Egal, ob man Autos mag oder lieber Fahrrad fährt, zu den Mobilitätskonzepten von morgen haben wir alle einen direkten Bezug und eine Meinung. Software und Automotive – diese Schnittstelle ist attraktiv für kreative Köpfe aus der ganzen Welt, die beruflichen und persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten sind extrem hoch.

Unsere Mitarbeiter haben von Anfang an ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Autonomie und können ihre Arbeit so proaktiv gestalten. Anders als in einem Konzern kennen sich die Mitarbeiter untereinander. Wir fördern das auch aktiv durch eine abteilungsübergreifende interne Kommunikationskultur. Alle bekommen so einen Blick für das Big Picture, was wiederum die Identifikation mit dem Unternehmen, den Produkten und Kollegen erhöht und motiviert.

Diverse, internationale Teams – ein Weg zum Erfolg?
Eindeutig ja. Innovationen entstehen aus meiner Erfahrung immer dann, wenn motivierte Experten mit unterschiedlichen Wissenshintergründen in einem anregenden, diversen und internationalen Rahmen miteinander arbeiten. Wir versuchen, einen solchen Rahmen bereitzustellen. In unserem Team arbeiten im Augenblick Menschen aus 14 Ländern und hier profitieren wir tatsächlich von Berlins großer Strahl- und Anziehungskraft auf kreative Köpfe. Aus unternehmerischer Sicht heißt das natürlich vor allem, die entsprechenden Ressourcen für Forschung und Entwicklung zu allokieren.

Was sind Ihrer Meinung nach im Moment die spannendsten Innovationstrends?
Die Kombination aus einer vernetzten Welt und künstlicher Intelligenz. Speziell für die Zukunft der Mobilität eröffnen sich hier atemberaubende Möglichkeiten. Die Herausforderung besteht für uns darin, diese mit den derzeit in Deutschland vorhandenen Ressourcen, also Menschen und Kapital, zu gestalten. 

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