Sie managen all das in Ihrem Unternehmen. Was spiegeln Ihnen Mitarbeiter zurück, die sich für Corporate Citizenship einsetzen?
Eigentlich das, was ich selbst auch immer wieder empfinde: großartig, mehr davon! Man stellt plötzlich fest, welche gesellschaftliche Wirkung das eigene Tun und auch das der Firma entfalten kann. Diese Erkenntnis ist dann tatsächlich erst einmal neu und überwältigend, weil man es so in der Regel noch nie irgendwo in der Presse gelesen hat. Die tiefen Einsichten in so eine Arbeit und die Reaktionen darauf bekommt man wirklich erst, wenn man es tut.
Ärgert es Sie manchmal, dass oberflächlich über Corporate Citizenship berichtet wird oder Unternehmen an ihrer Scheckstrategie kleben bleiben?
Klar, immer wieder. Man erlebt und erfährt ja hautnah, was alles möglich wäre, wenn mehr Unternehmen mit ihren Mitarbeitern dieser Idee folgen würden – und Zivilgesellschaft und Medien diese Differenzierung auch besser wahrnähmen.
Wie gehen Sie damit um? Ich erlebe Sie hier gerade als einen sehr heiteren Menschen.
Dann kann ich schon mal sehr ungeduldig werden! Aber im Ernst: Das gehört zu meinem Job dazu, das muss man aushalten.
Sie bezeichnen Citizenship-Manager als Grenzgänger. Inwiefern?
Weil man in dieser Funktion nicht die Position der Unternehmenswelt einnehmen und diese Position der Gesellschaft sozusagen „verkaufen“ kann – man steht definitiv dazwischen, wandelt hin und her und versucht in Corporate-Citizenship-Projekten, beide Seiten zusammenzubringen.
Und wo liegen die Fallstricke?
Wenn man sich in den Ideen zu weit vom Team entfernt, kann man sie verlieren, was keinen Sinn ergibt. Manchmal hat man blendende Einfälle und auch die entsprechenden Personen im Unternehmen, die das sehr gerne umsetzen würden – aber die Organisation, für die man das erdacht hat, will die Leistung gar nicht und lehnt ab, weil sie einen anderen Handlungsstrang für wichtiger hält. Oder dem eigenen Management erscheint es, sagen wir mal, als zu abgehoben.
Sie selbst stoßen viele Ideen an, von denen manche nicht in der Citizenship-Strategie Ihres Unternehmens stehen. Haben Sie sich schon mal allein auf weiter Flur gefühlt?
Ja, das kann passieren. Das erste Flüchtlingsprojekt in Deutschland im Jahr 2011 war so eine Erfahrung. Wir haben aber dann 2015 auf gutem Boden aufbauen und es auch letztendlich in die Citizenship-Strategie integrieren können. Zunächst aber – im Frühsommer 2015 – standen mein italienischer Kollege und ich noch ziemlich alleine da, weil wir auch hier mit Stärken des Unternehmens konkret helfen wollten, statt zum Beispiel nur Kleiderspenden oder Patenschaften anzustoßen.
Was wurde dann umgesetzt?
Als jeden Tag Tausende Flüchtlinge nach Deutschland kamen, haben IBM-Experten gemeinsam mit dem Deutschen Roten Kreuz in Mannheim, das dort Betreiber einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge ist, eine Open-Source-Software aus dem Katastrophenschutzkontext über ein verlängertes Wochenende und in manch langer Nacht an den Flüchtlingskontext angepasst und Mitarbeiter vom DRK in dieser Software geschult. Es ging darum, Bedarf und Nachfrage vernünftig miteinander abzugleichen: Welche Wohnungen sind beziehbar, wie viele Familienmitglieder sind gekommen – um sie nicht auseinanderzureißen, sondern an einem Ort einzuquartieren –, wer muss noch welchen Gesundheitscheck machen und so weiter. Das hat dann auch hervorragend geklappt. Kleidungsspenden und Patenschaften gab es natürlich auch.
Müssten Unternehmen solche guten Corporate-Citizenship-Ansätze nicht auch viel mehr miteinander teilen?
Natürlich wird das auch getan. Wenn sie aber auf bestimmte Kompetenzen von Mitarbeitern setzen und deren Unternehmen in ganz Deutschland verteilt sind, dann ist ein Austausch nicht ganz so einfach, wie man vielleicht zunächst denkt. Denn eine vertrauensvolle und enge Kommunikation setzt immer voraus, dass sich die Personen inhaltlich, räumlich und zeitlich auch treffen, was in der Realität die Zahl der Akteure schneller schrumpfen lässt, als einem lieb ist.