Impact of Science

Gute Zeiten für Geothermie

Stiftungsprofessor Ingo Sass
Ingo Sass (Foto: Michael Herdlein)
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Das Energiepotenzial ist riesig: Unsere Erde ist im Kern 6.000 Grad Celsius heiß. Sie erzeugt damit einen Wärmestrom bis hin zur Erdoberfläche. „Diese Geothermie ist eine unerschöpfliche Energiequelle für die Beheizung von Wohngebäuden, Büros und Produktionshallen“, weiß Stiftungsprofessor Ingo Sass. Der Leiter des Fachgebiets Angewandte Geothermie an der Technischen Universität Darmstadt bedauert indes: „Trotz vieler positiver Eigenschaften wird sie in Mitteleuropa noch viel zu wenig eingesetzt.“

Akzeptanz erhöhen

Die Krux: Eine verstärkte Nutzung der Geothermie zum Betrieb sogenannter Wärmepumpen ist vielfach mit bautechnischen Risiken verbunden. „Spezialunternehmen setzen mit schwerem Bohrgerät bis zu 100 Meter tiefe Sonden in das Erdreich“, erläutert Sass. Je mehr Hausbesitzer solche Bohrungen ohne eine ausreichende Planung durchführen lassen, umso höher ist das Risiko, dass die geologischen oder hydrogeologischen Verhältnisse im Untergrund von einzelnen Akteuren nicht richtig eingeschätzt werden. Sass: „Dadurch können Umweltschäden oder Senkungen an angrenzenden Gebäuden entstehen."

Porträtserie Stiftungsprofessuren

Gemeinsam mit seinen Mitgliedern hat der Stifterverband bis heute 400 Stiftungslehrstühle eingerichtet. In unserer Porträtserie stellen wir regelmäßig einige von ihnen vor: Woran forschen sie? Welche Chancen bietet ihnen die Stiftungsprofessur gegenüber einem normalen Lehrauftrag? In welchem Verhältnis steht der Wissenschaftler zu dem Förderer der Professur?  

Ingo Sass will durch seine Lehrund Forschungstätigkeit dazu beitragen, die Akzeptanz der Geothermie bei Immobilienbesitzern, Baubehörden, Energieanbietern und Unternehmen zu steigern sowie für die notwendige Planung zu sensibilisieren. Dafür sieht er drei Ansatzpunkte: fundiertes Wissen über Geothermie vermitteln, technische Risiken bei deren Nutzung minimieren, Deutschland zum wissenschaftlichen Top-Player auf diesen Gebieten machen. Der Diplom-Geologe arbeitete lange Zeit als Vorstand eines der größten Consulting-Büros Deutschlands im Bereich des Bauingenieurwesens – mit Schwerpunkt Tunnelbau, Wasserversorgung, Geothermie. Dort war er beispielsweise für die geologische und technische Erkundung des Brennerbasis-Tunnels verantwortlich. Bereits 2005 übernahm Sass eine Professur für Ingenieur-Geologie an der TU Darmstadt: „Ich wollte mich damit auch ein Stück selbst verwirklichen.“

2009 bekam er das verlockende Angebot zu einer neu eingerichteten Stiftungsprofessur an der TU Darmstadt. Das NaturPur-Institut für Klima und Umweltschutz, eine Tochtergesellschaft des Darmstädter Energie- und Infrastrukturdienstleisters HSE AG, etablierte dort einen Lehrstuhl für das neue Fachgebiet Angewandte Geothermie. Die auf zehn Jahre angelegte Stiftungsprofessur soll im Kern untersuchen, wie sich die in der Erdkruste gespeicherte Energie wirtschaftlich nutzen lässt. „Geothermie ist ein hybrides Thema“, sagt Sass, „mit Schnittstellen zur Ingenieurtechnik und Naturwissenschaften.“

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Foto: Michael Herdlein
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Wärme aus der Kälte: Ingo Sass forscht als Stiftungsprofessor am Thema Geothermie.

Extrem vielseitig

Heute vermittelt Ingo Sass Ingenieuren der Angewandten Geowissenschaften im Rahmen ihres Masterstudiums die dafür erforderlichen Kenntnisse. „Unsere Abgänger sind extrem vielseitig ausgebildet“, sagt Sass, „sie haben eine breite geowissenschaftliche Basis und eine dezidierte quantitative ingenieurwissenschaftliche Vertiefung.“ Ein solches Lehrangebot stößt bei den Studierenden auf großes Interesse: Jedes Jahr melden sich bis zu 150 Bachelor-Graduierte aus der gesamten Bundesrepublik für den Studiengang an.

Dort treffen sie auf extrem günstige Voraussetzungen: Den Studierenden steht für die Hightech-Analytik ein interdisziplinär aufgebautes Forschungs- und Lehrlabor zur Verfügung, das HydroThermikum. Aus den Stiftungsgeldern finanziert Sass zusätzliche Mitarbeiterstellen sowie Vorlaufkosten für künftige Forschungsvorhaben. Mit öffentlichen Forschungsgeldern könnte sein Lehrstuhl kaum rechnen. „Das Thema Geothermie, so wie wir es betreiben, ist bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft leider noch nicht angekommen“, sagt Sass. Bei seinen Besuchen an amerikanischen Elitehochschulen aber sieht er, dass es auch anders geht: „Dort ist Industrieförderung ein Teil des Universitätssystems.“ Er plädiert deshalb für den weiteren Ausbau von Stiftungen und Stiftungsprofessuren in Deutschland: „Die Arbeit des Stifterverbandes in dieser Richtung ist für mich ein optimaler Weg dahin.“

Den Anstoß zur Stiftungsprofessur hatte ein stets guter Kontakt des Wissenschaftlers zur Wirtschaft ergeben: „Ich versuche, Forschungsaspekte an konkreten Praxis­projekten festzumachen.“ Die auf Stromerzeugung aus regenerativer Energie spezialisierte HSE AG fand viele der Forschungsansätze des Darmstädter Professors spannend. Eine Nähe zum Stifter ist Sass bei seiner Arbeit weiterhin wichtig: „Wir versuchen gemeinsam, auch außerhalb der Universität die Geothermie bekannt zu machen.“

Mit dem NaturPur Institut, dessen Kuratorium der Hochschullehrer angehört, veranstaltet er beispielsweise jährlich eine Schüleruniversität. In gemeinsamen Projekten bilden sie Lehrer weiterführender Schulen in Sachen Geothermie fort und begeistern selbst Grundschüler schon für Energie aus der Erde. Bei Tagungen und Kongressen des HSE-Konzerns stellt Sass die neuesten Ergebnisse aus seiner Arbeit vor. 

Der Förderer

Das NATURpur Institut für Klima- und Umweltschutz gGmbH hat die Stiftungsprofessur Angewandte Geothermie 2009 in Kooperation mit dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft an der Technischen Universität Darmstadt eingerichtet. Das Institut wurde als 100-prozentige Tochter der HSE AG im März 2008 gegründet. Die HSE ist der erste Energiedienstleister deutschlandweit, der ein eigenständiges gemeinnütziges Institut ins Leben gerufen hat. Das NATURpur Institut ist mit einem Stammkapital von 25 Millionen Euro ausgestattet und verwendet die Erträge von rund einer Millionen Euro jährlich für seine Förderung ausgewählter Forschungsprojekte in den Bereichen Energieeffizienz und erneuerbarer Energien.

Der Erfolg zeigt sich schon nach gut zwei Jahren: „Die TU Darmstadt hat in der Wissenschaftsszene wie auch in Unternehmerkreisen inzwischen einen exzellenten Ruf als Forschungs- und Lehrstätte für Geothermie“, beobachtet Ingo Sass. Er ist fest davon überzeugt: „Eine Stiftungsprofessur beschleunigt den Prozess exorbitant, ein Fachthema an einer Universität, in einem Bundesland oder sogar weltweit wahrnehmbar zu etablieren.“ Das sind gute Zeiten für die Geothermie.

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