Impact of Science

Flugzeug aus dem 3-D-Drucker

Blick in einen Flugzeugrumpf
Foto: Ansgar Pudenz
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Mitte April watschelte ein Enterich durchs Netz und durch die Rubrik „Vermischtes“ der Zeitungen. Dem Tier waren in Oshkosh im US-Bundesstaat Wisconsin die Füße erfroren, was auch für Enten nicht gut ist. Mitleidige Tierfreunde kamen auf die Idee, für Phillip – so heißt der Enterich – ein paar neue Füße anzufertigen. Ein Lehrer entwarf Prothesen für das Tier, die er dann mit dem 3-D-Drucker seiner Schule aus besonders biegsamem Kunststoff in einem schönen Orangerot druckte. Seitdem führt Phillip wieder das beschauliche Leben eines normalen Enterichs.

Die kleine Geschichte klingt doppelt absurd – „Druck“ von Prothesen! Für eine Ente! –, zeigt aber die offenbar nahezu unbegrenzten Möglichkeiten einer immer noch von vielen als neu empfundenen Technologie. Diese lässt sich schlicht so umreißen: Der Digitaldruck ist in die dritte Dimension vorgedrungen. Um das Wort „Druck“ zu vermeiden, das unweigerlich an den Papierdrucker im Büro oder zu Hause denken lässt, wird auch von Additiver Fertigung (AF) gesprochen. Zudem schwingt hier die Verfahrensweise mit: In der Regel handelt es sich bei dem Fertigungsverfahren um das schichtweise Auftragen von Metallen oder Kunststoffen. Eine Düse spritzt dabei etwa eine Kunststoffmasse Punkt für Punkt auf einen Untergrund. Die Schichtbauweise erlaubt zum einen die flexible Herstellung auch von geometrisch sehr komplexen Gebilden und inneren Strukturen. Und zum anderen bietet AF eine fast unbegrenzte gestalterische Freiheit im Umgang mit Werkstoffen. Die „Expertenkommission Forschung und Innovation“ (EFI) betont in ihrem Gutachten von 2015 die „vielseitige Verwendbarkeit“ von AF – von der Luft- und Raumfahrtindustrie bis hin zur Gesundheitswirtschaft.

Um es anschaulicher zu machen: Nicht nur Entenfüße aus Kunststoff, Implantate oder Autoersatzteile lassen sich mit AF-Verfahren dreidimensional herstellen. Es gibt auch schon Unterwäsche, Schuhe und Schmuck aus dem 3-D-Drucker. Kürzlich stellte ein Luxusuhrenhersteller ein Uhrengehäuse aus dem Drucker vor, das natürlich nicht aus Plastik, sondern aus einem besonders hochwertigen Material gefertigt wird: aus Titan. Eine Titan-Uhr aus dem 3-D-Drucker mag man für einen hübschen, aber nicht notwendigen Luxus halten. Ein auf diese Weise hergestelltes Flugzeugbauteil aus dem gleichen Material hingegen kommt einem Umsturz im Flugzeugbau gleich.

Diesen Umsturz gewagt haben die drei Ingenieure Claus Emmelmann, Frank Herzog und Peter Sander. Mit dem von ihnen entwickelten LaserCUSING-Verfahren konnte zum ersten Mal ein Flugzeugbauteil aus Titan gedruckt werden. Das Besondere daran ist, dass die drei Ingenieure – der eine Wissenschaftler, der andere Anlagenentwickler, der dritte Anwender, nämlich bei dem Flugzeugbauer Airbus – den 3-D-Druck nun auch für thermisch und mechanisch stark belastbare metallische Bauteile verfügbar gemacht haben. Ihr Verfahren eignet sich für unterschiedliche Stahlsorten, für Edelmetalle wie Gold- und Silberlegierungen und für Metall auf Basis von Titan.

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Foto: Ansgar Pudenz
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Die Ingenieure Claus Emmelmann, Peter Sander, Frank Herzog (v.l.n.r.)

Aus Titan, das eine hohe spezifische Festigkeit besitzt, ist der durch das Verfahren von Emmelmann, Herzog und Sander hergestellte Kabinenhalter im neuen Airbus 350 XWB; der Halter befestigt dort den Ruheraum für die Crew des Langstreckenflugzeugs. Peter Sander, der bei Airbus den Bereich „Emerging Technologies & Concepts“ leitet, hat anlässlich der Nominierung des Verfahrens zum „Deutschen Zukunftspreis 2015“ betont, dass der Druck von Flugzeugbauteilen eine „grüne Technologie“ sei – man brauche weniger Energie, um die Teile zu bauen, und weniger Energie für die Logistik. Hinzu kommt, dass viel weniger Rohmaterial benötigt wird – nicht unwichtig etwa bei dem sehr teuren Werkstoff Titan. Noch entscheidender ist die erhebliche Gewichtsersparnis bei den Bauteilen. Und auch die Abhängigkeit von Zulieferern verringert sich. Sanders Projektkollege Frank Herzog, geschäftsführender Gesellschafter der Concept Laser GmbH, die mit einem Jahresumsatz von 7 Millionen Euro (2013) zu den wichtigsten deutschen Herstellern zählt, sprach bei demselben Anlass von einem „Paradigmenwechsel“: die Veränderung der Produktionsweise werde auch Auswirkungen auf die Gesellschaft haben.

Den Deutschen Zukunftspreis des Bundespräsidenten haben die drei Ingenieure am Ende zwar nicht gewonnen, aber schon die Tatsache, dass ihr 3-D-Druckprojekt vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) für den renommierten Preis vorgeschlagen worden war, zeigt, dass das Potenzial des Zukunftsfeldes AF mittlerweile weit über einen kleinen Kreis von Eingeweihten hinaus bekannt ist. Der Bund habe seine Fördertätigkeit zwar ausgeweitet, wie die EFI in ihrem Gutachten 2015 schreibt, ein „übergeordneter strategischer Rahmen für diese Förderung“ scheine derzeit aber noch zu fehlen. Dabei habe AF „das Potenzial, eine Schlüsseltechnologie zu werden“, die die industrielle Produktion in Deutschland stärken könne, heißt es in dem Gutachten.

Wie aus Titanpulver Bauteile entstehen

Hohe Umsatzerwartungen

Im Jahr 2010 betrug der Anteil deutscher Unternehmen am weltweiten Umsatz von AF-Gütern und -Dienstleistungen etwa 15 bis 20 Prozent – das waren 200 bis 250 Millionen US-Dollar von weltweit 1,3 Milliarden Dollar, wie eine Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie festgestellt hat. Auf einen deutlich höheren Umsatz für das betreffende Jahr, nämlich 8,7 Milliarden Euro, kommt man bei einer großzügigeren Marktabgrenzung von AF-Gütern. Bis zum Jahr 2020 könnte der Umsatz deutscher Unternehmen auf 35,1 Milliarden Euro wachsen – geht man, wie die Studie es tut, von einem Wachstum von bis zu 15 Prozent aus. Ein solch starkes Wachstum gäbe es aber nur bei stetigen Innovationen und der Erschließung neuer Anwendungsgebiete. So wie bei Airbus; dort geht es mit der neuen Produktionsmethode rasch voran. Seit Kurzem druckt das Unternehmen in Varel in Niedersachsen doppelwandige Benzinrohre aus Titan. Ab Mitte 2016 sollen Flugzeugbauteile aus Edelstahl, ab 2017 auch aus Aluminium auf diese Weise hergestellt werden.

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