Die Institution Schule galt lange Zeit als seltsam träges und zugleich äußerst sensibles Gebilde. Träge, weil es immer hieß, dass Veränderungen im System Schule aus diversen Gründen – von überbordender Bürokratie über kakofonischen Föderalismus bis hin zu fehlenden Mitteln und Stellen – sich nur schwer bis gar nicht umsetzen ließen. Sensibel deshalb, weil auf zu große Experimentierfreude in Didaktik, Pädagogik und Schulpolitik immer noch sehr skeptisch bis äußerst ablehnend reagiert wird. „Keine Experimente mit unseren Kindern!“ war und ist lange Zeit ein Credo der Ablehnung von neuen Ansätzen und Ideen im Bildungsbereich. Dabei ist es die ureigene Aufgabe von Bildungseinrichtungen, auf die stetige Veränderung in der Gesellschaft zu reagieren, indem man die lernenden Menschen auf ein neues oder verändertes Leben in der gegenwärtigen und zukünftigen Gesellschaft qualifizierend vorbereiten möchte. Experimente sollten daher eigentlich ein wichtiger und kontinuierlicher Bestandteil von Bildung und damit auch von Schule sein – sofern sich Schule dem Wandel in der Gesellschaft entsprechend sinnhaft anpassen und nicht entgegenstemmen möchte. Ich halte viel davon, gesellschaftliche Veränderungen zunächst in Bildungseinrichtungen als Lernerfahrungen zu simulieren, sie spielerisch zu erschließen, um dann später – unter realen Bedingungen – mit ihnen adäquat und selbstsicherer umgehen zu können. Simulation schafft Stimulation. Dazu gehören eben auch das Trial-and-Error-Prinzip, zahlreiche Gedankenexperimente und virtuelle sowie physikalische Simulationen der Wirklichkeit.
Spätestens mit der Corona-Pandemie musste die Angst vor Digitalisierung und Experimenten von heute auf morgen überwunden werden. Was viele Jahrzehnte angeblich nicht ging, musste plötzlich über Nacht möglich gemacht und tatkräftig umgesetzt werden. Doch nicht nur der virologische Handlungsdruck allein hat am Ende doch viele Veränderungen möglich gemacht. Ohne all die engagierten Lehrkräfte, die unterstützenden Eltern, erfinderischen Schulleitungen, digitalen Bildungsinitiativen und Hackathons – und natürlich die Lernenden selbst – wäre der Corona-Digital-Hauruck in Deutschlands Schulen nicht in dieser Form so schnell realisiert worden. Das alles wäre so übrigens auch nicht möglich gewesen, wenn sich nicht bereits zuvor zahlreiche engagierte Bildungskräfte schon seit Anbeginn des Internets und den einhergehenden Möglichkeiten intensiv experimentell (!) damit beschäftigt und sich mit anderen darüber in Netzwerken ausgetauscht hätten. Die Vorbereitung der Digitalisierung mit der Corona-Brechstange erfolgte eben auch durch jahrelanges pionierartig praktiziertes digitales Mindset, was man mittlerweile nicht nur als kollaboratives, kreatives, kritisches und kommunikatives Handeln zusammenfassen würde, sondern als solches auch in den Fokus von digitaler Bildung an sich stellen möchte. Motiviert werden diese Extrameilen durch den enormen Purpose, also die Sinnhaftigkeit, die man in der Bildungsarbeit vorfindet. Die politischen Rahmenbedingungen sollten mindestens dafür sorgen, dass dieses Engagement nicht noch erschwert oder bestraft wird. Eigentlich ein trauriger Satz, denn eine Belohnung und Unterstützung wäre wesentlich angebrachter.