Ob wir wollen oder nicht: Wir leben in einer Informationsgesellschaft. Als Nutzer, erst recht als Eltern und Pädagogen müssen wir uns aber eingestehen, darauf nicht vorbereitet zu sein. Viele von uns verstehen die Technik kaum und verharren demütig in ratloser Resignation: „Solange der PC meine Mails anzeigt, bin ich zufrieden.“ – „Google funktioniert, mehr muss ich nicht wissen.“ – „Dieses Word will heute wieder irgendwie nicht.“ Diese gefühlte Hilflosigkeit gegenüber der Informationstechnik drängt die Betroffenen in eine Art Unmündigkeit. Denn wer von Informatik keine Ahnung hat, kann in einer Informationsgesellschaft durchaus leben – aber eben nur als Konsument. Er kann die Systeme benutzen, die andere für ihn entwerfen, bauen und bewirtschaften. Aber er kann sie weder verstehen noch hinterfragen, noch kompetent auswählen und schon gar nicht nach eigenen Vorstellungen anpassen. Zu technisch geprägten Themen kann er sich keine Meinung bilden, und die souveräne Wahrnehmung seiner Rechte als Bürger in einer Informationsgesellschaft bleibt ihm verwehrt.
Damit ist nicht gemeint, dass jeder Technik positiv bewerten soll. Die Bürgerrolle kann durchaus von einer skeptischen, kritischen oder rundweg ablehnenden Haltung geprägt sein. Um aber eine solche Haltung überhaupt vertreten zu können, muss man etwas von der Sache verstehen. Ein plastisches Beispiel dafür ist die Diskussion um Wahlcomputer, die in Deutschland schon 2005 stattfand, bis das Bundesverfassungsgericht 2009 klarstellte, dass der Einsatz verfassungswidrig ist: „Die wesentlichen Schritte der Wahlhandlung und der Ergebnisermittlung [müssen] vom Bürger zuverlässig und ohne besondere Sachkenntnis“ überprüfbar sein. An dieser Episode lässt sich ablesen, dass die Informatik allgemeinbildenden Wert hat: Erstens berührt der Einsatz von Wahlcomputern den Kern unserer Demokratie und ist sensibler als etwa die Frage, ob man eine Payback-Karte benutzen soll oder lieber nicht. Zweitens betont das Urteil, dass die bei der Wahl verwendete Technik nicht nur sicher sein muss vor Manipulationen (was allein den Computereinsatz infrage stellt); sie muss auch gewährleisten, dass sich hinterher jeder davon überzeugen kann. Drittens kam der Widerstand gegen Wahlmaschinen damals nicht aus Politik, Fachbehörden oder der breiten Bevölkerung: Er kam von Informatikern mit ausgeprägtem Bürgersinn, wobei in Deutschland besonders der Chaos Computer Club hervorzuheben ist. Genau das zeigt, dass technischer Sachverstand eben keine unkritische Technikakzeptanz befördert, wie oft befürchtet wird: Er kann auch eine entschiedene und dann vor allem gut begründete Ablehnung des Computereinsatzes bewirken. Eine Informationsgesellschaft braucht Menschen, die ihren Bürgersinn mit technischem Wissen verbinden, und zwar viele solcher Menschen. Wer sich ahnungs- und machtlos fühlt, wird diese Rolle nicht einnehmen.