Professor Grunwald, in Ihrem Buch „Der unterlegene Mensch“ beschreiben Sie die Sorge oder auch Angst vieler Menschen, dass die Geister der Digitalisierung, die wir selbst riefen, das Kommando über unser Leben übernehmen und die Gattung Mensch am Ende überflüssig machen. Vermutlich eine harmlose Sorge – verglichen mit der Angst, die derzeit vor dem Coronavirus und dessen Folgen weltweit umgeht.
Tatsächlich sind die Bedenken gegenüber einer fortschreitenden Digitalisierung und – nicht zu vergessen – auch die Klimakrise in den zurückliegenden Monaten kaum ein Thema in der Öffentlichkeit gewesen. Das Coronavirus ist totalitär und lässt kaum Raum für andere Themen. Ich würde jedoch zunächst einmal zwischen Sorge und Angst unterscheiden wollen.
Inwiefern?
Sorge ist, wenn Sie so wollen, ein Dienst am Gemeinwohl. Sorgen rütteln uns aus Bequemlichkeit und Alltagstrott und zwingen uns, bestimmte Dinge zu überdenken – im Fall der Digitalisierung etwa die Sinnhaftigkeit von Algorithmen, die pauschale Entscheidungen treffen, ohne auf das Individuum einzugehen. Und die auch auf Daten von uns zugreifen, die wir ihnen besser nicht zur Verfügung stellen sollten. Angst hingegen lähmt und behindert die Fähigkeit, vernünftige Entscheidungen zu treffen.