Innovationssystem

„Wir müssen systemisch denken“

Pascal Hetze
Pascal Hetze (Foto: Stifterverband)
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Pascal Hetze kritisiert die starke Zersplitterung der Innovationsstrategien in Deutschland. Acht Bundesländer haben eigene Strategien für Künstliche Intelligenz (KI), die sich stark unterscheiden und kaum aufeinander abgestimmt sind. Auch auf Bundes- und EU-Ebene existieren separate Ansätze. Diese mangelnde Koordination führt dazu, dass Ressourcen ineffizient genutzt werden und sich die Akteure verzetteln. 

„Alle wollen Leuchttürme für KI oder Hightech werden“, sagt Hetze, „aber das kann nicht gelingen, wenn jeder für sich allein handelt.“ Stattdessen fordert er eine Bündelung der Kräfte und die Schaffung von „Leuchttürmen“, die regional verankert, aber international sichtbar sind. So könne etwa eine Region als Zentrum für KI fungieren, während eine andere sich auf die Mobilitätswende spezialisiere. 

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Pascal Hetze im Gespräch
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Video: Pascal Hetze im Gespräch

Systemisches Denken: Innovation als Teamarbeit

Die Komplexität moderner Herausforderungen wie der Mobilitäts- oder Energiewende erfordert ein Umdenken. Innovation ist heute nicht mehr die Verbesserung einzelner Technologien, sondern die Entwicklung ganzheitlicher Konzepte. Pascal Hetze betont, dass kein Akteur – weder Unternehmen noch der Staat – diese Aufgaben allein bewältigen kann. 

„Wir müssen systemisch denken“, erklärt er. Innovation sei wie ein Körper, bei dem alle Organe zusammenarbeiten müssen: „Ich kann nicht nur einen Muskel trainieren, sondern brauche einen gesunden ganzen Körper.“ Nur wenn Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft Hand in Hand arbeiten, könnten nachhaltige Lösungen entstehen. 

Inkonsequente Förderpolitik und fehlende Zusammenarbeit

Ein weiteres Hindernis sieht Hetze in der Förderpolitik. Obwohl die bisherige Bundesregierung ambitionierte Ziele wie Klimaneutralität und Ressourceneffizienz verfolgt habe, wurden entscheidende Forschungsprogramme – etwa in der Batterieforschung – gekürzt. Diese Widersprüche gefährden die Umsetzung der großen Missionen. 

Zudem fehlt es an einer engen Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Akteuren. Während in den USA oft gemeinsame Projekte von Staat und Unternehmen gefördert werden, geschieht dies in Deutschland noch zu selten. Hetze fordert daher eine bessere Abstimmung und gemeinsame Investitionen in große Forschungsinfrastrukturen. 

„Alle wollen Leuchttürme für KI oder Hightech werden, aber das kann nicht gelingen, wenn jeder für sich allein handelt.“

Pascal Hetze
Stifterverband

Als unabhängige Organisation nimmt der Stifterverband beim Thema Innovation eine vermittelnde Rolle ein. Er bringt Politik, Wirtschaft und Wissenschaft an einen Tisch und schafft Räume für den Austausch, etwa durch den „Gipfel für Forschung und Innovation“ oder den „Länder-Roundtable Innovation“. Ziel ist es, Brücken zwischen den verschiedenen Ebenen und Akteuren zu bauen. 

„Wir verstehen uns als Netzwerk, das jede Perspektive gleichrangig einbringt“, betont Hetze. Gerade in einer Zeit, in der die Vielstimmigkeit der Akteure oft zu Unübersichtlichkeit führt, sieht er den Stifterverband als vertrauenswürdigen Mittler, der für mehr Konsistenz und eine gemeinsame Blickrichtung sorgt. 

Für die Zukunft der Innovation in Deutschland braucht es nicht nur bessere Strukturen, sondern auch einen Kulturwandel. Hetze plädiert für eine stärkere Innovationskultur, die Offenheit für neue Technologien und ein größeres Risikobewusstsein fördert. 

Dabei müsse die Politik das „Innovationsprinzip“ stärker gewichten und nicht ausschließlich auf das „Vorsorgeprinzip“ setzen. Es gehe darum, Chancen und Risiken neuer Technologien gegeneinander abzuwägen und mutigere Entscheidungen zu treffen. 

Pascal Hetze zeichnet ein klares Bild von den Herausforderungen und Chancen der deutschen Innovationslandschaft. Seine Kernbotschaft lautet: Nur durch Zusammenarbeit, systemisches Denken und eine Kultur der Offenheit kann Deutschland ein führender Innovationsstandort bleiben und Wettbewerbsfähigkeit wieder zurückgewinnen. 

Der Weg dorthin ist nicht einfach. Es braucht eine bessere Abstimmung zwischen Bund, Ländern und der EU, eine konsequente Förderpolitik und eine stärkere Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Akteuren. Doch Hetze ist zuversichtlich, dass diese Ziele erreicht werden können – wenn alle Akteure an einem Strang ziehen. 

Deutschland hat das Potenzial, international sichtbare Leuchttürme zu schaffen und die besten Köpfe der Welt anzuziehen. Es liegt nun an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die richtigen Weichen zu stellen. Der Stifterverband wird dabei als unabhängiger Vermittler eine Schlüsselrolle spielen.

Pascal Hetze (Foto: Damian Gorczany)
Pascal Hetze (Foto: Damian Gorczany)
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Zur Person

Pascal Hetze leitet im Stifterverband das Handlungsfeld „Kollaborative Forschung & Innovation“ und das Fokusthema „MINT-Lücke schließen“. Als promovierter Volkswirt befasst er sich mit den zentralen Herausforderungen des Forschungs- und Innovationssystems an den Schnittstellen von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik.

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