Noch einmal kurz zurück zur Dynamik der Entwicklungen. Wie geht deutsche und europäische Rechtsetzung in Zeiten digitaler Umbrüche, die noch dazu stark von einer anderen Wirtschaftskultur eingefärbt sind?
Wir kommen an gewissen Schnellschüssen bei Gesetzen und Regulierung wohl nicht vorbei, weil wir nicht alles sofort bis ins letzte Detail durchdringen können, teils aber schnell handeln müssen. Wenn das selbstfahrende Auto technisch möglich ist, können wir die Entscheidung nicht verschieben, ob unsere Rechtsordnung erst einmal fahren lassen will oder nicht. Und da kann es passieren, dass wir die zukünftige Entwicklung falsch einschätzen, dass es zu schlimmen Unfällen kommt oder auch nicht. Da kann es sein, dass wir Entwicklungen laufen lassen, ohne eine umfassende Analyse betrieben zu haben – oder auch vorschnell ausbremsen. Parallel – und das klingt jetzt widersprüchlich – muss die Antwort des Rechts gerade deshalb aber sein, eben weil wir mit prognostischen Elementen umgehen müssen: Vorsicht, wenn wir nicht genau wissen, was auf uns zukommt, dann wollen wir lieber diesen Prozess etwas verlangsamen, die Entwicklungen begleiten und dann erst vollständig entscheiden. Wenn man es genau nimmt, hat diese Vorgehensweise dem Technikregulierungsrecht auch jenseits der digitalen Welt schon immer inne gewohnt. Wie gut dieser Weg klappen kann, zeigt etwa die Regulierung im Gentechnikrecht.
Viele nutzen ihre IT-Technik und -dienste mit mulmigem Gefühl, weil sie einerseits damit kommunizieren wollen und sich andererseits den Sicherheitslücken und AGBs ausgeliefert fühlen.
Studien belegen, dass die meisten Menschen tatsächlich den Eindruck der Machtlosigkeit haben, nach dem Motto: Ob ich als Einzelner WhatsApp nutze oder nicht, was macht es für einen Unterschied, wenn es doch alle anderen sowieso tun? Das Beispiel zeigt die fatale Denkschleife, in der wir uns befinden: Es ist doch genau der Einzelne, der den Unterschied macht, nämlich dann, wenn mit ihm noch tausende andere derselben Meinung sind, wenn man sich organisiert mit seinen Interessen – die User nehmen ihre Macht nur noch viel zu wenig wahr. Bei den Unternehmen ist das anders, da haben die großen US-amerikanischen IT-Firmen nach den NSA-Enthüllungen sofort begriffen, dass sie sich in einer äußerst brenzligen Situation befinden – nicht etwa aus Angst vor den Geheimdiensten, die ihre Cloud-Systeme durchsuchen, sondern vor der Reaktion der User, die ihre Daten sicherer verwahrt sehen wollen und deshalb woanders hingehen könnten – und dies zum Teil ja auch gemacht haben: Europäische Cloud-Anbieter stehen hoch im Kurs, und US-amerikanische Anbieter haben ihrerseits gezielt nach Europa ausgelagert.
Was würden Sie gerne vorantreiben?
Den gesamten Bereich der IT-Sicherheit. Wir müssen dafür sorgen, dass der Zugriff auf Daten beschränkt wird, und dies dann auch wirklich eingehalten und kontrolliert wird. Wenn das Internet diese berühmte Rückgratfunktion für unsere Gesellschaft hat, und ich denke das ist so und wird eher noch zunehmen, dann muss sich das auch im Schutz der technischen Infrastruktur und der Inhalte wiederspiegeln. Dann muss IT-Sicherheit und der Schutz vor Angriffen viel wichtiger sein als gegenwärtig. Es gibt haarsträubende Beispiele, wo wir einen adäquaten Schutz noch nicht entwickeln und wo fehlende IT-Sicherheit massive Auswirkungen haben kann, wie die Ransomware-Angriffe auf Krankenhäuser gezeigt haben.
Das ist eine Virus-Software, die innerhalb von Sekunden Teile des angegriffenen Rechners verschlüsselt und damit für den Moment unbrauchbar macht. Für das Entschlüsseln erpressen die Angreifer dann in der Regel Geld.
Wenn ein tonnenschwerer OP-Roboter in einem solchen Moment gerade in einem Menschen operiert, kann man sich ausmalen, was das bedeuten kann. Solche Szenarien sind kein Science Fiction, weshalb wir weitaus mehr Kraft und Ressourcen in IT-Sicherheit investieren müssen als bislang. So ein Roboter muss sich im Notfall auch anders bewegen lassen – dafür brauchen wir neue Softwarelösungen und technische Notfallmechanismen. Und das natürlich nicht nur im Krankenhaus. Denn diese neuen Gefahren dringen in alle möglichen Bereiche unserer Gesellschaft und Wirtschaft ein– und werden dies auch tun, wenn alles immer weiter über das Internet miteinander vernetzt wird.