Kurioserweise sorgen sich viele über den Schutz ihrer Privatdaten und surfen dann doch recht unbedarft mit Smartphone und Tablet im Internet...
...wobei die meisten gar nicht wissen, dass die Datensicherheitsstandards für mobiles Internet völlig veraltet und praktisch kaputt sind und die Rechner von einem Akteur mit enormen Ressourcen – sprich Geheimdienste – gehackt, durchstöbert und dabei auch verändert werden können. Das zeigt ein wirkliches Dilemma: Die gesellschaftlichen Netzdebatten, die abbilden, wie sich die digitale Gesellschaft jetzt gerade wieder verändert, werden nur von einem kleinem Teil der Bevölkerung überhaupt geführt, obwohl die Themen und Konsequenzen alle betreffen. Oft weisen Hacker auf wichtige IT-Schwachstellen hin. Vor anderthalb Jahren zeigte beispielsweise ein Berliner auf dem Chaos Communication Congress ...
... also dem jährlichen Meeting der deutschen Hackerszene ...
… dass er jedes Mobiltelefon weltweit identifizieren und orten kann – über veraltete Roaming-Koordinationstechnik der weltweiten Provider.
Es gibt gute Hacker, die sogenannten White-Hats, die innerhalb des Gesetzes und der Hackerethik IT-Strukturen hacken. Die kaufen sich die Firmen als Dienstleister ein.
Und andererseits gibt es die Black-Hats, die kriminellen Hacker auf dem schwarzen Markt, die wir auch noch mit unserem Steuergeld mitfinanzieren.
Wie das?
Dadurch, dass wir beispielsweise dem BND Geld geben, damit dieser auf dem Schwarzmarkt Wissen über Sicherheitslücken kauft. Diese gewonnenen Kenntnisse werden in Form von IT-Software in Updates des Staatstrojaners eingebaut. Das ist vollkommen absurd. Man fördert im Namen der Sicherheit massive IT-Unsicherheit. Jede Sicherheitslücke, die der Staatstrojaner in diesem Moment nutzt, um in andere Infrastrukturen hinein zu kommen, kann in diesem Moment auch von Black-Hats genutzt werden, also von internationalen Cyber-Kriminellen, Terroristen und Akteuren organisierter Wirtschaftsspionage.
Das klingt ziemlich unglaublich. Wie wird sich das alles nun weiter entwickeln?
Im Moment erkenne ich zwei große Zukunftsszenarien: Auf der einen Seite eine Dystopie, in der immer weniger, dabei immer größer werdende Unternehmen alle Bereiche unseres digitalen Lebens dominieren und wir quasi in einer Google-, Facebook- oder Apple-Welt agieren, überall getrackt werden, ohne die Möglichkeit zu haben, da noch rauszukommen. Wobei es zu Symbiosen zwischen staatlichen und privaten Akteuren kommen kann, das heißt: Wir würden in einer total überwachten Welt leben, wo wir einfach nicht mehr souverän wären, und letztlich nur als Konsumenten und Arbeiter im digitalen Raum agieren könnten. Die Alternative ist die Hoffnung, dass wir Kommunikation weiterhin dezentral und offen ablaufen lassen können, wobei jeder seine eigene Möglichkeiten entwickeln kann, selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Wo Wissen jedem frei zur Verfügung steht, und Innovationen und gesellschaftlicher Wandel nicht normiert, sondern wirklich neu, individuell, dabei auf überraschende, manchmal auch provokante Weise entstehen können. Wo also unsere demokratischen Werte in der digitalen Gesellschaft so durchgesetzt und geschützt wären, wie wir es im analogen Leben auch erwarten.
Und was sollte man konkret tun?
Wir müssen jetzt die Verschlüsselung überall fördern. Es gilt jetzt, sichere Systeme zu entwickeln – von Anfang bis Ende gedacht. Damit meine ich sichere Software und Hardware. Das von Programmierern im Verbund offen entwickelte Linux ist gut, aber ein System für eine Universalmaschine – und wenn ich an den Kühlschrank zuhause denke, dann brauche ich keine Universalmaschine, hier brauchen wir was anderes. Wenn ich nur ein Prozent der Software nutze, und 99 Prozent nicht, dann stellen die 99 Prozent nur unnötige Sicherheitsrisiken dar. Wir brauchen auch weit mehr freie Hardware, die bis ins letzte Detail transparent ist. Es ist vollkommen absurd, das wir alle mit Mobiltelefonen rumlaufen, bei denen letztlich nur zwei Firmen auf der Welt wissen, welche Bestandteile da überhaupt installiert worden sind und wie diese funktionieren. Es gibt bereits erste Ansätze für neue Programmiersprachen und Betriebssysteme, die von Anfang an Wert auf sicheres Design legen, aber die reichen bei Weitem nicht aus. Wir brauchen dringend mehr wissenschaftliche Forschung für sichere Systeme, und es gibt doch genug öffentliche Forschungsinstitutionen in Deutschland, die das machen könnten - gerade auch im Verbund mit Open Source Communities.