Die Krawatte ist das prominenteste Opfer des Silicon Valley. Nein, nicht bei denen, die im Valley selbst leben und arbeiten. Dort ist eine gewisse Hemdsärmeligkeit seit jeher die Regel. Nein, bei Managern aus Deutschland, die noch bis vor wenigen Jahren als Inbegriff der Seriösität (aber eben auch Steifheit) im unverwüstlichen Business-Gewand aufgetreten sind. Eine Krawatte durfte da nicht fehlen. Wie sehr sich die Welt der Wirtschaft gedreht hat, lässt sich auch daran festmachen: Wenn Konzernlenker heute auf den großen Messen der Welt die neuesten Produkte präsentieren, dann tun sie das im lockeren Jeans-Outfit. Bartschatten legen sich über die drahtigen Gesichter. Silicon Valley ist cool, ungezwungen, abenteuerlich erfolgreich. Und es strahlt aus bis in die entferntesten Konzernzentralen der Welt.
Steifheit will sich heute niemand mehr vorwerfen lassen. Schließlich hat ja mittlerweile jeder das Dröhnen der Digitalisierung vernommen. Neuland – das Kanzlerin Merkel noch vor wenigen Jahren schüchtern betreten hat – war gestern. Heute fahren ganze Manager-Treks in den Wilden Westen, um sich inspirieren zu lassen und zu lernen. „Ich habe so viele Manager gesehen, die völlig verändert zurückgekommen sind, als hätten sie das weiße Licht gesehen“, sagt der Soziologe Thomas Druyen. „Die wollen dann so viel in ihrem Unternehmen verändern, die Mitarbeiter wissen gar nicht, was die geraucht haben.“
Viel Rauch um nichts? Offensichtlich nicht: Als vor einigen Wochen die neuesten Daten zu Forschung und Entwicklung in Deutschland veröffentlicht wurden, ging so manche Braue erstaunt nach oben: Es wird hierzulande so viel geforscht, wie noch nie zuvor. Informationstechnologien werden dabei zum Schlüssel für die gesamte deutsche Wirtschaft. Nicht nur der Fahrzeugbau wird dadurch befeuert, sondern auch Energie-, Klima- und Umwelttechnologien. Es scheint so, als habe die oft als unbeweglich und rückwärtsgewandt beschriebene deutsche Wirtschaft die Herausforderungen angenommen. Bits statt Braunkohle, Cloud statt wolkiger Ausreden.